Heft als PDF-Datei - Wildcat
Heft als PDF-Datei - Wildcat
Heft als PDF-Datei - Wildcat
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Zum Stand der Bewegung<br />
Ende 1999 ließen die militanten Anti-WTO-Proteste von Seattle unsere<br />
Herzen höher schlagen. Sie hoben sich so wohltuend vom Gegengipfel in<br />
Köln wenige Monate zuvor ab. Seitdem ist es zu einer nicht abreißenden<br />
Kette von massenhaften Mobilisierungen gekommen. Hier ist offenkundig<br />
etwas Neues an die Oberfläche getreten:<br />
1. Was in den letzten Jahren <strong>als</strong> »Antiglobalisierungsbewegung« dargestellt<br />
wurde, ist nur die Oberfläche einer untergründigen Entwicklung, bei<br />
der viel eher von »Bewegungen« gesprochen werden kann <strong>als</strong> bei den<br />
Aktionen gegen die (vereinzelten) Events. Vor allem die Medien mit<br />
ihrer Fixierung auf Spektakuläres und reformistische Gruppen mit ihrem<br />
Interesse, die Bewegung in einen Versuch zur Verbesserung des Kapitalismus<br />
zu kanalisieren, haben zur Wahrnehmung der vielschichtigen und<br />
zueinander im Widerspruch stehenden Strömungen <strong>als</strong> »Antiglobalisierungsbewegung«<br />
beigetragen. Trotzdem enthalten sie zwei wichtige<br />
Momente: sie sind offensiv und massenhaft.<br />
2. Die Mobilisierungen sind offensiv. Das erste Mal seit fast 20 Jahren, in<br />
denen sich die Linke in der Defensive befunden hat, gehen wieder Leute<br />
nach vorn, erobern, wenn auch nur für begrenzte Zeit, die Straße und<br />
füllen sie mit Inhalten, die mehr sind <strong>als</strong> eine Abwehrreaktion aus der<br />
Opferpose, wie wir sie in den 90er Jahren nur allzu oft sehen konnten.<br />
3. Die Proteste bewegen eine große Zahl von Menschen. 50 000 Leute in<br />
Seattle, 10 000 in Prag − das schienen dam<strong>als</strong> riesige Teilnehmerzahlen,<br />
verglichen mit den 90er Jahren. Inzwischen gehen oft sogar Hunderttausende<br />
Menschen auf die Straße, die Tendenz ist bisher ungebrochen.<br />
Dies ist aus zwei Gründen wichtig: Die Demos machen nach langer Zeit<br />
wieder ein massenhaftes Unbehagen am Kapitalismus öffentlich, das<br />
die Voraussetzung für eine Umwälzung der Verhältnisse ist. Zweitens<br />
sind sie für die Leute selber wichtig: viele machen zum ersten Mal<br />
solche Demoerfahrungen, schöpfen Stärke daraus, so viele zu sein − und<br />
Juli 2002 9