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innerhalb des Landes. Die neuartig reaktionäre Form ihres Islamismus<br />

entstand unter den Bedingungen der massenhaften Vertreibung und des<br />

Lebens in Flüchtlingslagern in Pakistan. Die dortigen Koranschulen, die<br />

Madrassas, haben für die Armen eine materielle Funktion, da sie oft die<br />

einzige Möglichkeit bieten, einigen ihrer männlichen Kinder eine regelmäßige<br />

Ernährung, ein Dach über dem Kopf und eine gewisse Bildung zu<br />

gewähren. FürFlüchtlinge aus Afghanistan war die Abhängigkeit von dieser<br />

Reproduktionsmöglichkeit mangels Alternativen noch stärker <strong>als</strong> für die<br />

pakistanische Bevölkerung. 1<br />

Finanziert werden die Madrassas von (öl-) reichen islamischen Kreisen,<br />

vor allem aus Saudi-Arabien. Damit sind sie von ihnen abhängig und für<br />

deren Interessen und Ziele instrumentalisierbar. Die Bedeutung der Madrassas<br />

beim politischen Aufstieg der Taliban läßt sich unmittelbar am Kriegsgeschehen<br />

ablesen. Vor Entscheidungsschlachten oder in brenzligen Situationen<br />

erhielten die Taliban-Milizen schlagartig tausende neue Kämpfe, indem<br />

einfach einige große Madrassas in Pakistan geschlossen und die »Schüler«<br />

an die Front geschickt wurden. Darunter waren nicht nur Afghanen, sondern<br />

auch Jugendliche aus der pakistanische Bevölkerung. Nebenbei war diese<br />

Frontverschickung für die pakistanische Regierung ein willkommenes Ventil<br />

für den sozialen Druck im eigenen Land. Die Ausweitung der Madrassas<br />

und ihre Nutzung <strong>als</strong> Rekrutierungsinstrument wurde vom pakistanischen<br />

Regime nicht nur geduldet, sondern aus eigenen Interessen gezielt gefördert.<br />

Die besondere religiöse Ideologie der Taliban wäre für sich nicht wichtig,<br />

sondern würde nur eine der vielen islamischen Sekten darstellen −<br />

zudem einer Richtung, die in Afghanistan nie eine große Rolle gespielt hat.<br />

Ihr Rückgriff auf eine vermeintlich historisch strenge Scharia, ihre Propagierung<br />

des heiligen Krieges und ihre Kompromißlosigkeit gegenüber anderen<br />

Ideologien oder ausländischen Organisationen verschaffte ihnen eine Identität<br />

und Legitimation, mit der sie sich von den übrigen verhaßten Warlords in<br />

Afghanistan und den von außen intervenierenden Mächten abgrenzen<br />

konnten. Dies hätte aber kaum gereicht, um sich in Afghanistan politisch zu<br />

etablieren. In den ersten zwei Jahren nach ihrem Auftauchen im Jahre 1994<br />

blieb ständig fraglich, ob sie sich durchsetzen könnten.<br />

Der Aufstieg der Taliban beruhte von Anfang an darauf, daß sie von<br />

1 Hinweise auf Quellen und Material haben wir in einem Dossier zusammengestellt, das<br />

sich auf der Webseite befindet: http://www.wildcat-www.de/zirkular/64/z64warma.htm.<br />

Juli 2002 39

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