Heft als PDF-Datei - Wildcat
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Das Verbrechen der Taliban − ihr Scheitern <strong>als</strong> Staat<br />
Das eigentliche Problem der USA und anderer westlicher Länder mit den<br />
Taliban war nicht die Anwesenheit von Bin Laden, nicht die Scharia, nicht<br />
die Frauenunterdrückung oder das Abhacken von Händen und Füßen − mit<br />
all dem kommen internationale Ölfirmen und westliche Regierungen an<br />
anderen Orten der Welt bestens zurecht, solange die Ölversorgung gesichert<br />
ist und die Profite stimmen. Der Fehler der Taliban war es, daß sie die<br />
benötigte Stabilisierung des ganzen Landes nicht erreichen konnten und sich<br />
auch nicht auf eine direkte Zusammenarbeit mit anderen Ländern einließen,<br />
um sie zu erreichen.<br />
1991 hatten die USA im Golfkrieg bewußt darauf verzichtet, das Regime<br />
in Baghdad zu stürzen. Während einfache irakische Soldaten zigtausendfach<br />
auf ihrem Rückzug niedergemetzelt wurden, ließ man Saddam Hussein seine<br />
Elitetruppen, mit denen er die aufständischen Schiiten und Kurden niederschlagen<br />
konnte. Die Aufrechterhaltung einer zentralen staatlichen Macht<br />
war den USA wichtiger <strong>als</strong> die Frage, wer sie verwaltet. Bei aller Konkurrenz<br />
zwischen Staaten, ist die Sicherung von Staatlichkeit <strong>als</strong> die elementare<br />
Rahmenbedingung jeder kapitalistischen Entwicklung und Kontrolle das<br />
gemeinsame Anliegen der herrschenden Klasse in allen Ländern. Die USA<br />
wollten verhindern, daß der Irak zu einem »failing state« wurde (dieser<br />
Begriff wurde erst zwei Jahre später erfunden). Afghanistan war ein »failed<br />
state« und die Taliban hatten die ihnen zugedachte Aufgabe des »nation<br />
building« (auch so ein Euphemismus für die Durchsetzung kapitalistischer<br />
Staatlichkeit) nicht erfüllt. Schon administrativ waren sie der Aufgabe nicht<br />
gewachsen, was sich am eklatantesten vielleicht in ihrer Unfähigkeit zeigte,<br />
ein eigenes Geldwesen zu etablieren. Die Banknoten bezog das Taliban-<br />
Regime weiterhin von seinem militärischen Gegner Massud.<br />
Die Taliban verfügten auch über keine Massenbasis in der Bevölkerung.<br />
Ihre militärische Stärke beruhte auf keinem ideologischen Konsens, sondern<br />
hing von der Mobilisierung über die Madrassas und ihren finanziellen<br />
Mitteln zur Bezahlung von Söldnern ab, unterstützt von (ebenfalls bezahlten)<br />
»Freiwilligen« aus dem Ausland. Zudem wurden sie von einer nicht unerheblichen<br />
Anzahl pakistanischer Soldaten und Militärberater unterstützt.<br />
Im November 2001 wurde dies offensichtlich, <strong>als</strong> Pakistan mit einer Luftbrücke<br />
tausende »seiner Leute« aus der von Truppen der Nordallianz und der<br />
USA eingeschlossenen Stadt Kunduz herausholte. Die USA bestritten dies<br />
Juli 2002 43