Heft als PDF-Datei - Wildcat
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Kollektive Praxis<br />
In den asambleas entstehen nicht nur Diskussionen und Beschlüsse,<br />
sondern auch eine gemeinsame Praxis. Neben den wöchentlichen Treffen<br />
auf der Straße arbeiten verschiedene Kommissionen an Vorschlägen und<br />
praktischer Vorbereitung, z.B. von Stadtteilfesten oder politischen Veranstaltungen.<br />
Als Überlebensstrategie in der Krise betreiben viele asambleas<br />
gemeinsame Gemüsegärten, oft auf besetzten Brachgeländen, und<br />
organisieren gemeinschaftliche Einkäufe. Manche organisieren solidarische<br />
Volksküchen für die Arbeitslosen im Stadtteil. Die Anonymität in<br />
den Stadtteilen ist aufgebrochen. Eine Diktatur könnte heute wahrscheinlich<br />
nicht mehr so einfach Menschen aus dem Stadtteil abholen und<br />
verschwinden lassen, ohne dass sich jemand einmischt ...<br />
Die Energiepreise und Stromabschaltungen wegen nicht bezahlter<br />
Rechnungen sind häufiges Thema. Unter der Parole ’Kein Nachbar ohne<br />
Strom’ organisieren viele asambleas Unterschriftenlisten für Sozialtarife,<br />
Aktionen und Bürobesetzungen bei den jeweiligen Büros der Stromerzeuger,<br />
und es gibt schöne Beispiele praktischer Selbsthilfe: aus einem<br />
Stadtteil wird berichtet, dass die asamblea eine kleine Eingreifgruppe von<br />
Klempnern und Elektrikern zusammengestellt hat, die im Fall von Stromabschaltungen<br />
auftauchen, um die Anschlüsse wieder anzuklemmen.<br />
Krise und neue Armut haben zu einem enormen Ansteigen der Obdachlosigkeit<br />
geführt. Überall in der Stadt sieht man Matratzen und<br />
Menschen, die sich auf der Straße einrichten. Viele sind von Zwangsräumungen<br />
bedroht, weil sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können, oder<br />
in besetzten Wohnungen und Gebäuden leben. Auch hier werden asambleas<br />
aktiv, mit rechtlicher und praktischer Unterstützung. Im April haben<br />
fünfzig entschlossene Menschen aus einer Piquetero-Organisation und der<br />
örtlichen asamblea trotz berittener Polizei mit Hunden den Abbruch einer<br />
bereits eingeleiteten Zwangsräumung erreicht, und die Rechtsanwältin<br />
konnte danach wieder neue Fristen rausschlagen.<br />
Wie weit die TeilnehmerInnen der asambleas in solche sozialen Konflikte<br />
eingreifen, ist je nach Stadtteil sehr unterschiedlich. In reicheren<br />
Stadtteilen kümmern sie sich lieber um sich selbst und ihr Eigentum, oder<br />
um Proteste gegen Kneipenlärm, oder ähnlich bewegende Themen. Ein<br />
großer Unterschied besteht zwischen den asambleas in der Stadt und<br />
denen der ärmeren Außenviertel von Gran Buenos Aires. In den Vororten<br />
Juli 2002 19