Quantitative Strukturanalyse vorsprachlicher Vokalisationen - OPUS ...
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71<br />
Diskussion<br />
Alter ganz offenbar nicht mehr vorrangig für das Entstehen des phonatorischen Rauschens<br />
verantwortlich ist. Hauschildt (2007) konnte bei Säuglingen mit orofazialen Spalten im Alter<br />
von 0-6 Monaten einen rauschvermindernden Effekt der eingesetzten Gaumenplatte<br />
demonstrieren. Im hier untersuchten zweiten Lebenshalbjahr sind die Spalten bereits schmaler<br />
und damit der Effekt möglicherweise deutlich geringer. Darüber hinaus könnte die<br />
konsequente Plattentherapie im ersten Lebenshalbjahr geholfen haben, Fehlregulationen zu<br />
etablieren, die durch eine subglottische Druckerhöhung bei Plattenherausnahme entstehen.<br />
Diese Frage kann nur durch einen Vergleich von Säuglingen mit bzw. ohne<br />
kieferorthopädische Frühbehandlung beantwortet werden.<br />
Entscheidend für das Auftreten bestimmter Strukturtypen in den spontanen Lauten im zweiten<br />
Lebenshalbjahr sind ganz offensichtlich zentrale Generierungsmechanismen, die einem<br />
vorsprachlichen Entwicklungsprogramm folgen. Die Versorgung mit einer Gaumenplatte hat<br />
auf diese Mechanismen nur einen indirekten Einfluß, indem die Ausführungsqualität der<br />
Modulationsmuster, also der Strukturtypen verändert werden könnte. Die Ausführungsqualität<br />
zeigt sich in der QSS-Analyse nicht, könnte aber durch zusätzliche Feinanalysen in einer<br />
weiterführenden Untersuchung u.U. nachgewiesen werden.<br />
Als Resumee der vorliegenden Studie kann man festhalten, daß das Tragen der Gaumenplatte<br />
während des zweiten Lebenshalbjahres keinen Einfluß auf die Art und die relative Häufigkeit<br />
der erzeugten Strukturtypen zu haben scheint. Die Ursachen der gefundenen<br />
Gruppenunterschiede zwischen den Säuglingen mit orofazialen Spalten und den<br />
Kontrollkindern scheinen vielmehr zerebraler Herkunft zu sein. Die Ergebnisse deuten auf<br />
eine Störung von Mechanismen der Zeitorganisation in der LKGS-Gruppe, indem<br />
insbesondere Gruppenunterschiede bei den segmentierten Lauten gefunden wurden. Die<br />
intentionale Unterbrechung der Phonation während einer Exspiration erfordert ein gut<br />
funktionierendes zeitliches Regelsystem, das auch Grundlage der späteren rhythmischen<br />
Gestaltung der muttersprachlichen Prosodie ist. Die Arbeiten einer finnischen Forschergruppe<br />
zu Besonderheiten von zeitlichen Verarbeitungsprozessen (Cheour et al., 1999) bei Kindern<br />
mit orofazialen Spalten finden stützen diese Interpretation. Darauf wird in Kapitel 4.3<br />
spezifisch eingegangen. Sollte sich die Hypothese der Abweichung in der Zeitorganisation der<br />
Phonation bei den LKGS-Kindern durch weitere Studien bestätigen, wäre eine adäquate<br />
therapeutische Stimulation das Mittel der Wahl, um dadurch u.U. den Übergang in die nächste<br />
Stufe der Entwicklung zu lösen (Dokou, 2007).