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Quantitative Strukturanalyse vorsprachlicher Vokalisationen - OPUS ...

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Diskussion<br />

Derselbe Effekt zeigt sich auch bei der Analyse der segmentierten Laute vom Typ<br />

„1S“ (Bogen-Pause-Bogen). Wiederum sind sowohl beim Schrei, als auch bei den Übergangs-<br />

und Babbellauten die Einzelbogenlänge und die Gesamtlänge verlängert. Des Weiteren ist die<br />

Segmentierungspause zwischen den beiden Bögen bei der LKGS-Gruppe verlängert. Durch<br />

unterschiedliche Pausen- und Bogenlängen ist auch hier wiederum ein unterschiedlicher<br />

Rhythmus zwischen beiden Gruppen erkennbar (s. Kapitel 3.3.5). Die 1S-Strukturen sind ein<br />

direkter Vorläufer der ersten konsonant-, vokal-, silbenartigen Strukturen. Die deutlich<br />

längeren Zeiten der Einzelbögen und der Segmentierungspause zwischen den Bögen bei der<br />

LKGS-Gruppe macht aus der Perspektive der Zeitorganisation verständlich, warum viele<br />

LKGS-Kinder in der Produktion kanonischer Babbler entwicklungsverzögert sind. Nicht die<br />

Vokaltraktveränderung präoperativ ist dafür verantwortlich, zumindest nicht allein, sondern<br />

zerebrale Unterschiede in der Zeitorganisation beteiligter Generierungsmechanismen.<br />

Die zeitlich langen Bögen und die langen Segmentierungspausen der Laute der LKGS-<br />

Gruppe reflektieren eine veränderte, bzw. gestörte zentrale Zeitorganisation und bestätigen<br />

damit die Hypothese H5. Kinder mit orofazialen Spalten zeigen damit Störungen, die denen<br />

spezifisch spracherwerbsgestörter (SSES-) Kinder ähnlich sind. Zum jetzigen Zeitpunkt ist<br />

jedoch noch nicht klar, ob beiden Phänomenen derselbe Entstehungsmechanismus zugrunde<br />

liegt.<br />

Die spezifische Spracherwerbssstörung (SSES) hat nach heutiger Erkenntnis vermutlich auch<br />

eine genetische Ursache (Richman and Eliason, 1984; Ceponiene et al., 1999, Cheour et al.,<br />

1999). Bei den Kindern mit orofazialen Spalten besteht dasselbe Risiko für eine solche<br />

genetische Komponente (familiäre Disposition) für eine spezifische SES, wie bei den Kindern<br />

ohne orofaziale Spalte. Zusätzlich zu den sprachbedingten Faktoren kommt damit theoretisch<br />

ein weiterer Risikofaktor, zumindest bei einem Teil der Kinder mit orofazialen Spalten hinzu.<br />

Nun kann man nicht davon ausgehen, daß alle hier untersuchten Kinder eine familiäre<br />

Disposition für eine spezifische SES hatten. Das ist zumindest sehr unwahrscheinlich und<br />

anhand der Studienprotokolle ergibt sich auch keinerlei Hinweis darauf. Das ähnliche<br />

Störungsbild muß also eine andere Ursache haben. Hier bleiben viele Fragen unbeantwortet,<br />

aber die vorliegenden Ergebnisse könnten Ausgangspunkt für gezielte Studien zur Klärung<br />

dieser Frage sein. Grundsätzlich wäre anzuraten die familiäre Disposition für eine SSES bei<br />

den Säuglingen mit orofazialen Spalten mit zu erfassen. Streng genommen kann man aber das<br />

Mitwirken dieser Komponente bei den hier untersuchten Säuglingen mit orofazialen Spalten<br />

auch nicht gänzlich ausschließen, da die familiäre Disposition bisher nicht untersucht wurde.<br />

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