Quantitative Strukturanalyse vorsprachlicher Vokalisationen - OPUS ...
Quantitative Strukturanalyse vorsprachlicher Vokalisationen - OPUS ...
Quantitative Strukturanalyse vorsprachlicher Vokalisationen - OPUS ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
75<br />
Diskussion<br />
Selbst wenn eine genetische Ursache ausgeschlossen werden kann, bleibt die Möglichkeit,<br />
daß der frühe Zeitpunkt der Entstehung der Spalte Einfluss auf die Entwicklung der an der<br />
Lautproduktion beteiligten zerebralen Strukturen hat. Das würde erklären, warum Cheour et<br />
al. (1999) mit Hilfe von ereigniskorrelierten hirnphysiologischen Messungen (ERP) gefunden<br />
haben, daß bereits unmittelbar nach der Geburt bei Kindern mit orofazialen Spalten<br />
Abweichungen in der zeitlichen Wahrnehmung auditiver Muster im Vergleich zu Kindern<br />
ohne orofaziale Spalten bestehen. Die hier gefundenen Abweichungen in der Zeitorganisation<br />
der Produktionsleistungen können ein korrespondierendes Element der perzeptiven Befunde<br />
von Cheour et al. sein.<br />
Es war zu erwarten, daß die Unterschiede zwischen den Aufnahmen mit und ohne<br />
Gaumenplatte bei den hier untersuchten basalen Lautproduktionsmechanismen gering sind. Es<br />
bestätigt sich aber, daß mit eingesetzter Gaumenplatte natürliche Verhältnisse eher erreicht<br />
werden. Die Platte kann die postulierten hirnphysiologischen Regelstörungen in der<br />
Zeitorganisation natürlich nicht ausschalten. Der Einsatz der Gaumenplatte hat somit nur<br />
einen geringen Einfluss auf diese Elemente der vorsprachlichen Entwicklung. Die Herstellung<br />
annähernd natürlicher Verhältnisse vermeidet aber zusätzliche „Belastungen“ für das<br />
phonatorische Regelnetzwerk, wodurch die Gaumenplatte zumindest indirekt eine positive<br />
Wirkung auch für diesen Aspekt der vorsprachlichen Entwicklung hat.<br />
4.4 Einbettung der Ergebnisse in die Befunde anderer aktueller Studien<br />
Wie bereits erwähnt, fällt ein direkter Vergleich vorliegender Untersuchung mit anderen<br />
Studien schwer, da es bisher keine vergleichbaren Studien gibt, die die Untersuchung<br />
sprachrelevanter <strong>vorsprachlicher</strong> Eigenschaften thematisiert. Der Fokus hier lag auf<br />
prosodischen Merkmalen und deren Entwicklung. Dabei wurde das von Wermke (2004)<br />
entwickelte quantitative <strong>Strukturanalyse</strong>system angewandt, während in anderen ähnlichen<br />
Studien zur kieferorthopädischen Frühbehandlung von Säuglingen mit orofazialen Spalten<br />
eine rein deskriptive Herangehensweise erfolgte. Die bisher vorliegenden Studien (s. Kapitel<br />
1.1.1, 1.1.2, 1.1.3) haben solche Faktoren wie den Operationszeitpunkt und/oder die<br />
kieferorthopädische Frühbehandlung betrachtet, die hier untersuchten basalen<br />
neurophysiologischen Mechanismen und Entwicklungsvorgänge aber vollständig<br />
vernachlässigt.