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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Ethologie und Psychoanalyse stimmen überein in der Annahme einer frühen Phase sexueller<br />

Exploration. Hier sind die Partialtriebe und die Ausrichtung der Libido auf die "bevorzugte Gestalt"<br />

(Spitz), die Objektvorläufer und ersten Objekte zu nennen, bei Freud die Eltern, in der<br />

Ethologie: alle Gruppenmitglieder.<br />

Der Zeitraum, in dem aus ethologischer Sicht die Inzesthemmung geprägt worden ist, stimmt<br />

annähernd überein mit dem Zeitraum, in dem laut Psychoanalyse der Ödipuskonflikt bewältigt<br />

worden sein muß.<br />

Während die Ethologie mit dem Zeitraum der sensitiven Periode und der Bezugsgruppe in<br />

diesem Zeitraum die Personengruppe zu bestimmen erlaubt, auf die sich Inzestwünsche zu<br />

konzentrieren vermögen, ist für die Psychoanalyse der Inzestwunsch auf die Eltern entgegengesetzten<br />

Geschlechts fixiert und mit der Ausbildung des Über-Ichs bewältigt oder unbewältigt<br />

eine Quelle permanenter psychischer Probleme.<br />

Nach Freud folgt der ödipalen Phase die Latenzperiode, die Inzestwünsche gegen die Mutter<br />

Alternativen ödipaler Objektverschiebung:<br />

Vater<br />

Mutter<br />

So männlich Identifizierung Objektbesetzung sozialkonverstärken<br />

aufgeben form<br />

weiblich Objektbesetzung Identifizierung sozial tabu-<br />

To männlich Identifizierung Objektbesetzung iert<br />

weiblich Objektbesetzung Identifizierung sozialkonaufgeben<br />

verstärken form<br />

Übernahme geschlechtsspezifischer Erwartungen nach dem elterlichen Rollenvorbild unter Berücksichgung<br />

der unterschiedlichen Akzentuierung der Bisexualität (S.Freud, Das Ich und das Es, 1980, S.187)<br />

verschwinden zugunsten eines abweisenden Verhaltens gegen alle Personen des anderen<br />

Geschlechts, das gegenüber den andersgeschlechtlichen Familienmitgliedern beibehalten wird.<br />

Ähnlich beschreiben auch Shepher, 196 Spiro 197 und Talmon 198 das Abklingen der sexuellen<br />

Kontakte in der Peer-Gruppe des Kibbutz; und sowohl gemäß der ethologischen Beobachtung<br />

als auch im System von Freud wirkt die Latenz hinsichtlich des Inzestverlangens gegen die<br />

Peer-Gruppenmitglieder (bei Freud die andersgeschlechtlichen Familienmitglieder) ein Leben<br />

lang.<br />

In beiden Konzepten folgt nach der Latenzperiode die Außenorientierung der sexuellen<br />

Objektwahl und der Ehepartnersuche. Während bei Freud der Inzestwunsch durch die Abwehrmechanismen<br />

des Ich desexualisiert oder gehemmt wird, der Vater identifiziert und die<br />

Mutter als Objekt aufgegeben wird, wird er der Ethologie zufolge automatisch durch seine<br />

frühkindliche Befriedigung aufgehoben, d.h. zur Aversion gegenüber den ehemaligen, vorpubertären<br />

Sexualpartnern. Intensive frühkindliche Sexualkontakte oder deren Äquivalente enden<br />

mit der Inzesthemmung, während ihre Behinderung den Inzestwunsch erzeugt, da die Aversion<br />

sich nicht ausbilden konnte. Man sieht auch hier wieder, daß die Inzesthemmung oder der<br />

Inzestwunsch als Folgen sozialer Haltungen gegenüber der frühkindlichen Sexualität zu<br />

begreifen sind, deren Wirken wiederum in beiden Konzepten mit einer kritischen Phase<br />

verbunden ist, d.h. in jenem spezifischen Zeitraum stattgefunden hat, den die Ethologie als sensitive<br />

Phase bestimmt.<br />

Auch Freud behauptet die inzestuöse Objektbesetzung des gegengeschlechtlichen Elternteils<br />

nur während der Infantilperiode, und begreift die Überwindung des Ödipuskomplexes unter<br />

optimalen Bedingungen auch als seine Zerstörung: "Aber der betriebene Prozeß ist mehr als<br />

eine Verdrängung, er kommt, wenn ideal vollzogen, einer Zerstörung und Aufhebung des<br />

Komplexes gleich." 199<br />

196 J.Shepher, Mate Selection among Second Generation Kibbutz Adolescents and Adults, ibid<br />

197 M.E.Spiro, Children of the Kibbutz, ibid<br />

198 Y.Talmon, Mate Selection in Collective Settlements, ibid<br />

199 S.Freud, Der Untergang des Ödipuskomplexes, in: ipse, Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens,<br />

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