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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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mehrungsriten der Pflanzen auch zum Wohle aller anderen Gruppen bemüht, denn der hekula<br />

ist auch der Herr spezifischer Pflanzenspezies. Diese Spezialisierung der Yanomamö-Lineages<br />

zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit den australischen Kultgruppen, welche sich der Vermehrung<br />

der Spezies ihres Totems widmen (rituelle Arbeitsteilung).<br />

Durch die Verbindung von Mensch und Tier über die gemeinsame Außenseele bringen die<br />

Yanomamö (auch die Waika) das Abhängigkeitsverhältnis von Mensch und Tier direkt zum<br />

Ausdruck, welches zugleich die Jagdrituale als Rituale in eigener Sache ausweist. Das Wohlergehen<br />

jeder Gruppe hängt von der Synchronie ihrer Mitglieder mit den Exemplaren der Spezies<br />

ab, die mit verschiedenen Lineages verbunden sind, und damit von dem Verhältnis der<br />

Lineages untereinander ebenso wie zu den Tiergeistern, denen sie sich besonders verbunden<br />

wissen. Die von Chagnon mitgeteilte parallele Abstammungszuschreibung der Noureshi garantiert<br />

einerseits jeder Gruppe eine Spezies, die sich vorzugsweise in ihr verkörpert, und andererseits<br />

über die Noureshi der Frauen auch die Verbindung mit den Arten, die sich vorzugsweise<br />

in anderen Gruppen verkörpern. Mit den Frauen besitzt damit jede Kultgruppe auch ein<br />

Pfand oder eine Geisel, welche das Wohlverhalten gegenüber den eigenen Außenseelen seitens<br />

der anderen Gruppen versichert, ähnlich wie das auch die gegenseitig ausgetauschten Frauen in<br />

der Allianz garantieren.<br />

Die Noreshi- Beziehungen,<br />

wel-<br />

menschliche Gestalt Mensch-Tier- Verbindung Tier- Eidolon und Tiergeist<br />

hekula<br />

che dem Verhältnis:<br />

Spezies-<br />

1 uhii 1 no uhudi 1 noureshi no uhudi<br />

Gruppe, entsprechen,<br />

genügen<br />

2 uhii 2 no uhudi 2 noureshi<br />

nicht nur jener<br />

Klassifizierungsalternative,<br />

wel-<br />

3 uhii 3 no uhudi 3 noureshi<br />

che man gemeinhin<br />

für den Tote-<br />

n+1 uhii n+1 no uhudi n+1 noureshi<br />

mismus reserviert,<br />

sondern<br />

Wille Eidolon Außenseele Eidolon Tiergeist<br />

Persona Gruppenseele (individuell) Speziesseele<br />

stellen auch ein<br />

Beispiel für den Fall dar, den Long auf dem Weg der ihm unterstellten Verwechslung und<br />

Vermischung konstruiert hat, nämlich die Möglichkeit der Kongruenz der Schutzgeistkonzeption<br />

mit der Totemkonzeption und damit auch ein Beispiel für jene Theorien, welche das Gruppentotem<br />

aus dem individuellen Totem abzuleiten versuchten, obgleich hier nicht verschwiegen<br />

werden soll, daß das Noreshi-Konzept der Yanomamö noch nicht als <strong>Totemismus</strong><br />

institutionalisiert erscheint und andererseits auch das Individualtotem ein spezifisches soziales<br />

Totem darstellt, d.h. die Bezeichnung der sozialen und integralen Funktion der Individualität,<br />

welche in dem Beitrag des Individuums zur Integration der durch Abstammung unterschiedenen<br />

Gruppen zum Ausdruck kommt, die ebenso notwendig ist wie die Bezeichnung der Gruppe<br />

und ihrer Zugehörigkeit und von der letzteren förmlich gefordert wird; denn keine Abstammunsgruppe<br />

existiert isoliert für sich allein.<br />

Long scheint trotz seiner von Levi-Strauss unterstellten Verwechslung der Begriffe den Sinn<br />

eines Denkens erfaßt zu haben, das sich in der Kohärenz seiner kosmologischen Ordnung (Relation<br />

von Exemplar und Person als Untermenge der Relation von Art und Gruppe) erschöpft,<br />

aber als spezielle Institution genommen, offensichtlich bei dem großen französischen Ethnologen<br />

Anstoß erregt hat, obwohl er nichts anderes behauptet hat, als was Chagnon auch bei den<br />

Yanomamö beobachten konnte, nämlich die Möglichkeit einer Korrespondenz zwischen dem<br />

Schutzgeistverhältnis und dem des Gruppentotems. Den Versuch der Wiedergabe eines eigentümlichen<br />

Weltbildes scheint ihm Levi-Strauss noch zu konzedieren, wenn er Longs Verwechslung<br />

darauf zurückführt, "daß der letztere (= Schutzgeist/ H.S.) niemals ein >besonderes<br />

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