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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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tron dieser Dynastie und in der Gestalt des im Tempel gehaltenen Exemplars die Außenseele<br />

des Gottes und des Pharao. Hier wird also noch ein Erbverhältnis sichtbar, nach dem eine Spezies<br />

mit einer dynastischen Linie erblich verbunden ist und die Differenzierung eines Exemplars<br />

der Art als Außenseele des hervorragenden Vertreters der Gruppe, des Pharao. Ein vergleichbares<br />

Verhältnis deutet Wiedemann zwischen Bast und der Familie, aus welcher der<br />

Pharao Scheschonk I. hervorging, an. "Ihre große, ganz Ägypten umspannende Macht erwies<br />

die Katze kurze Zeit nachdem man begonnen hatte, ihr höhere Verehrung zu widmen. Sie verschaffte<br />

ihren Anhängern, einer in Bubastis ansässigen Offiziersfamilie, die Pharaonenwürde.<br />

Der Begründer dieser Königsdynastie, der um 950 v. Chr. auf den Thron gekommene Scheschonk<br />

I. ... zog gegen Palästina ins Feld." 46<br />

Mit dem Pharaonenstatus, den ein Gaufürst oder Verwalter erwarb, gewann seine Gaugottheit<br />

reichsweite Verehrung, den Status des großen Gottes, was die innige Beziehung zwischen der<br />

Gottheit und der Dynastie nur unterstreicht, da ihre regionale oder überregionale Bedeutung<br />

von dem politischen Status des Clans abhing, mit dem sie verbunden war. Das Erbverhältnis<br />

zwischen Dynastie, Tierspezies und Exemplar in der Funktion einer Außenseele des göttlichen<br />

Ahnen und des Pharao hat jene Funktionen in rudimentärer Form bewahrt, welche das Verhältnis<br />

von Mensch und Tier zu einem totemistischen machen: Außenseelenglauben plus unilineare<br />

Vererbung des Seelentieres und seiner Spezies mit oder ohne Exogamie. Die Exemplar-<br />

Person-Beziehung reflektiert die interne Differenzierung der Individuen in einer Art-Gruppe-<br />

Beziehung. Die Art stellt die Exemplare und die Gruppe die Personen.<br />

Die einst auf Lineage oder Clan bezogene Exogamievorschrift ist im Zuge der Reichsintegration<br />

von der unterworfenen Bevölkerung zuerst aufgegeben oder nicht mehr in dem Gautotem<br />

reflektiert worden, das Subtotems mit dieser Funktion nicht ausschließt. Die unilineare Zuschreibung<br />

von Gruppe und Tier wurde abgesehen von der regierenden Familie, welche ihr<br />

Verhältnis zu dem heiligen Tier unilinear an die Nachkommen weitergab, in eine Zuschreibung<br />

nach der Residenzregel oder feudalen Hörigkeit verändert. An die Stelle der Stammesgruppe<br />

als endogamer Einheit ist der politische Verband der Feudalherrschaft getreten, in dem jene<br />

einst endogamen Gruppen zumindest unter den eroberten Stämmen exogam geworden sind. In<br />

diesem Kontext ist speziell die relativ häufige Parallelbasenheirat unter den Pharaonen instruktiv,<br />

aber auch die Geschwister- und Vater-Tochter-Ehen, die aus dynastischer Raison<br />

geschlossen wurden, verweisen auf die gleiche Funktion, denn sie erfüllen neben dem Abschluß<br />

der Herrscherkaste nach unten außerdem den Zweck der Fortsetzung des mit der Dynastie<br />

exklusiv verbundenen Kultes.<br />

In den beiden Fällen, den Berichten über Ramses II und Seschonk I, werden wir auf eine eindeutige,<br />

und zwar durch Deszendenz vermittelte Relation zwischen einer dynastischen Linie<br />

und einer Spezies einerseits und zwischen besonderen Vertretern der Linie und speziellen Exemplaren<br />

jener Spezies andererseits aufmerksam gemacht, welche die Vermutung von Josef<br />

Haekel stützen: "Eine Weiterentwicklung individualtotemistischer Ideen scheint in den >königlichen<<br />

Totems der Herrscher ostafrikanischer Negerreiche vorzuliegen, wobei vor allem<br />

markante Raubtiere (Löwe, Leopard etc.) eng mit dem König oder Fürsten verbunden sind.<br />

Möglicherweise geht die Verehrung von Tieren in den Reichsbezirken (Gauen) Altägyptens,<br />

die manchmal als <strong>Totemismus</strong> angesprochen wurde, auf ehemalige Individualtotems oder<br />

Schutztiere lokaler Fürsten zurück." 47<br />

Selbst wenn man den ägyptischen Tierkult historisch, will sagen quellenkundlich und quellenkritisch<br />

hinreichend sicher, nicht mehr aus einem hypothetischen totemistischen Vorläufer ableiten<br />

kann, so kann man doch die Regeln benennen, nach denen man aus seinen Formen zu<br />

den totemistischen Formen gelangen kann: Konzeptionsglaube oder Außenseelenglaube plus<br />

46 A.Wiedemann, Der Tierkult der alten Ägypter, ibid, S.20<br />

47 J.Haekel, Der heutige Stand des <strong>Totemismus</strong>problems, Mitteilungen der Anthropologischen Gesell. in<br />

Wien, LXXXII, 1953, S.36<br />

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