20.11.2013 Aufrufe

Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

mamö 59 zeigen.<br />

Noreshi heißt bei den Yanomamö die Außenseele (Alter-Ego), d.h. ein Seelenteil des Menschen<br />

und das ihm entsprechende Tier; und die Beziehung, die der Begriff ausdrückt, scheint<br />

Vererbung der Noreshis der Yanomamö:<br />

1Aw 1ax 1By 1bz<br />

2Aw 2az 2By 2bx<br />

3Aw 3ax 3By 3bz<br />

1,2,3 = Generationen; A,B = patrilineare Lineages;<br />

w,x,y,z = Noreshis/ parallele Filiation<br />

auf den ersten Blick eine Abbildung von Person<br />

und Exemplar zu sein, genauer die Abbildung der<br />

Synchronisation des Lebenslaufes von Exemplar<br />

und Person. Was dem Exemplar der Tierspezies<br />

passiert, das passiert auch der Person, die mit diesem<br />

Exemplar mystisch verbunden ist; pflanzt sich<br />

das Tier fort, dann auch die mit ihm verbundene<br />

Person, stirbt die Person, dann auch das mit ihr<br />

verbundene Tier. Diese Synchronisierung der Lebensläufe<br />

von Alter-Ego und Person wird in der<br />

Literatur des öfteren als Nagualismus, Tonalismus<br />

oder als Lebensgleichlauf bezeichnet.<br />

Das Noreshi ist exogam und erblich, aber seine Vererbungsregel weicht von der Abstammungsregel<br />

der Yanomamö, die laut Chagnon patrilinear ist, ab (Schuster und Zerries 60 bezeichnen<br />

sie als bilateral), denn sie erfolgt auf dem Wege der parallelen Abstammungsrechnung.<br />

Die vorgezogene Heiratsregel ist der Schwesterntausch. Projiziert man diese Regeln<br />

übereinander, dann ergeben sich die in dem Schema abgebildeten Beziehungen.<br />

Die Vererbung der Noreshi der Männer entspricht der Abstammungsregel, während die Frauen<br />

ihr Noreshi exklusiv von ihren Müttern erben. Diese parallele Filiation der Außenseelen<br />

gliedert die Frauen bei Praxis der vorgezogenen bilateralen Kreuzbasenheirat zu Gruppen alternierender<br />

Generation. VZ, MBT und T, sowie MVZ (M), Z und ZT haben Noreshis derselben<br />

Spezies, d.h. die Noreshi erinnern an den Beitrag der mütterlichen Abstammungsgruppe<br />

zur Fortsetzung der väterlichen Abstammungsgruppe. Dasselbe täten sie auch unter der Bedingung<br />

unilateraler KB-Heirat.<br />

Wenn w (schwarzer Affe) das Noreshi von Kaobawä ist und z das Noreshi Hund der Frau<br />

Kaobawäs, Bahimi, dann können nach der Aussage über ihre Doppelgängerfunktion der<br />

schwarze Affe und der Hund keine Artbegriffe sein, sondern müssen spezielle Exemplare dieser<br />

Arten bezeichnen, d.h. Individuen. Wenn aber die Lebensdauer des Doppelgängers mit der<br />

Lebensdauer der Person, die mit ihm verbunden ist, korrespondiert (Synchronisation der Lebensläufe<br />

von Person und Exemplar), dann kann w (= schwarzer Affe) von Kaobawäs Sohn<br />

nicht dasselbe Exemplar oder Individuum als Außenseele bezeichnen, das diese Funktion für<br />

den Vater erfüllt, sondern muß nach der Aussage der Coextensivität und Coterminiertheit von<br />

Doppelgänger und Person ein Sohn des Exemplars schwarzer Affe, welcher der Noureshi des<br />

Vaters ist (2Aw also Sohn von 1Aw), sein. Die Generationenzahl (1, 2, 3, n+1) bezeichnet also<br />

verschiedene Exemplare derselben Spezies. Der gleiche Schluß gilt für z= Hund, Noreshi von<br />

Mutter und Tochter. Die Beziehungen, welche die Kategorie Noreshi ausdrückt, sind also einerseits<br />

Beziehungen, zwischen einer Person und einem Exemplar einer Spezies (Exemplar-<br />

Person) und andererseits Beziehungen zwischen einer Gruppe (den Männern einer Lineage und<br />

den in alternierender Generation zueinanderstehenden Frauen der Lineage) und einer Gruppe<br />

von Exemplaren der Spezies, hier schwarzer Affe und Hund. Die Spezies, welche die<br />

Außenseelenexemplare der Abstammungsgruppe liefert, ist bei patrilinearer Zuschreibung für<br />

die Außenseelenexemplare nur der Männer der Abstammungsgruppe dieselbe, die Abstammungsgruppe<br />

unterscheidet sich von jeder anderen durch die Spezies der Exemplare der Männer,<br />

aus der jene ihre Doppelgänger beziehen, während sie sich in sich selbst geschlechtsspezifisch<br />

differenziert, und zwar mit Rücksicht auf die Spezies der Exemplare der von außen<br />

59 Siehe: N.Cagnon, Yanomamö, New York, Chicago, London 1968, S.48-50<br />

60 Mahekodotedi, München 1974<br />

3<br />

6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!