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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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in die von ihm kritisierte ungeschulte Denkungsart, nämlich in die Projektion, welche den eigenen<br />

Denkfehler dem sog. Primitiven, d.h. dessen Denkungsart, unterschiebt. Diese Haltung<br />

unterstellt Levi-Strauss der Ethnologie im Kontext der <strong>Totemismus</strong>theorie überhaupt und<br />

erklärt den <strong>Totemismus</strong> kurzerhand als eine Fiktion der Ethnologen.<br />

Auf die nominalistische Funktion des <strong>Totemismus</strong> hat Andrew Lang nach Garcilaso de la Vega<br />

wieder aufmerksam gemacht und Zustimmung gefunden bei Lord Avebury, Herbert Spencer<br />

und Max Müller. Das Totem begreift Lang vor allem als einen Namen und als ein Abzeichen<br />

sozialer Gruppen, das deren Funktion der Identifizierung und Differenzierung erfüllt und die<br />

Selektion der Namen erklärt er als Auswahl aus einem Fundus allgemein geläufiger, in Bild,<br />

Geste und Ton gut darstellbarer Objekte. Es wurden vor allem die Namen jener Objekte ausgewählt,<br />

die sich gut abbilden oder darstellen ließen, d.h. weil sie sich gut abbilden und darstellen<br />

ließen, will sagen: ihre emblematische Eignung bestimmte zunächst die Namensauswahl. Erst<br />

nachdem der Grund und der Zweck der Namensgebung vergessen worden ist, so Lang weiter,<br />

erscheinen die verschiedenen Versuche seiner Rechtfertigung, die Konstruktionen von Beziehungen<br />

zwischen dem Objekt, das den Namen geliehen hat, und der Gruppe, die den Namen<br />

gewählt hat, erst später kommen die Mythen auf, welche die Objekte zu den mystischen<br />

Verwandten der so bezeichneten Gruppen machen. Der <strong>Totemismus</strong> entsteht dann als eine<br />

logoficatio post festum aus dem Bedürfnis nach Legitimation des Verhaltens und hat als<br />

Erscheinung eben dieses nachträglichen Rechtfertigungsbedürfnisses mit der Form der Bezeichnung<br />

und Ausweisung der Gruppen in natürlichen Erscheinungen eigentlich gar nichts zu<br />

tun. Erst die spätere Assoziation der einen Tatsache mit der anderen erzeugt den Schein dessen,<br />

was man <strong>Totemismus</strong> nennt, jetzt aber diesen Schein als ein echtes Bedürfnis der Gruppen<br />

nach Aufklärung über ihr Verhalten verstanden, welche die Namengebung so rechtfertigen<br />

oder sich auf die Totems in diesem veränderten Sinne beziehen, d.h. weil sie den Namengebrauch<br />

ohne eine derartige Rechtfertigung nicht mehr ertragen können. Tatsächlich<br />

verläßt Lang das nominalistische Terrain, auf dem er seine Argumentation anfänglich plaziert<br />

hat (Ursache und Funktion: Benennung), indem er das Problem der Verhaltensrechtfertigung<br />

(Erklärung der Namenswahl) nach Begründungsverlust einer Verhaltensweise (Vergessen der<br />

Gründe der Namenswahl) einführt und damit allen anderen Varianten der <strong>Totemismus</strong>erklärung<br />

eine Brücke baut; denn die von ihm zugestandene nachträgliche Rechtfertigung kann sowohl<br />

religiös als auch seelisch oder sozial motiviert sein und dementsprechend religionswissenschaftlich,<br />

psychologisch oder soziologisch erklärt werden. Drei Dinge müssen mit Lang<br />

gegeben sein, damit der <strong>Totemismus</strong> erscheinen kann (to give rise to all the totemic creeds and<br />

practices, including exogamy): Ein von einer natürlichen Erscheinung entlehnter Gruppenname<br />

unbekannter Herkunft (a group animal name of unknown origin), ein Glaube an eine wie auch<br />

immer geartete Verbindung zwischen den Gleichbenannten: zwischen Ding und Gruppe (belief<br />

in a transcendental connection between all bearers, human and bestial, of the same name)<br />

und ein Blutverwandtschafts- oder Blutaberglaube (and belief in the blood superstitions 7 ), der<br />

den Glauben an die konstatierten Beziehungen begründet. Wenn wir diese drei Langschen<br />

Momente des <strong>Totemismus</strong> auf die Allgemeinheit der Relationen hin abstrahieren, für die sie nur<br />

Beispiele nennen, dann fordern sie 1) Namen, die verschiedene Gegenstände zusammenstellen,<br />

2) Hypothesen, welche zwischen den gleichbenannten Dingen Übereinstimmungen feststellen,<br />

und 3) eine sozial opportune Identifizierung mit einer Übereinstimmung davon, welche das<br />

emotionale Verhältnis der Mitglieder zum Namen und zu den durch ihn bezeichneten Dingen<br />

verstärkt. In dieser Form hätte auch schon Lang jene Momente des <strong>Totemismus</strong> benannt, welche<br />

erst wieder eine relativ aktuelle (oder späte) Ausgabe der Notes and Queries formuliert hat<br />

(siehe unten).<br />

Ankermanns Negation der religiösen und sozialen Funktion des <strong>Totemismus</strong> macht sich dagegen<br />

die rein nominelle Bestimmung des Phänomens zueigen und erscheint deshalb ausgespro-<br />

7 A.Lang, The Secret of the Totem, London 1905, S.126<br />

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