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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Die Zerstörung des Ödipuskomplexes im Es wird als Ergebnis der Kastrationsangst und ihrer<br />

Bewältigung durch das Ich, d.h. durch seine Theorie der Funktion der Angst begründet. Im<br />

Falle der Überwindung der Kastrationsangst wird die libidinöse Ladung der verdrängten<br />

Erregung vollständig zerstört, indem "ihre Libido endgültig in andere Bahnen übergeleitet<br />

wird. Ich meine, es geschehe so bei der normalen Erledigung des Ödipuskomplexes, der also in<br />

diesem wünschenswerten Falle nicht einfach verdrängt, sondern im Es zerstört wird." 200<br />

Die Psychoanalyse stimmt also mit der ethologischen Beobachtung auch in dieser Feststellung<br />

überein, daß die Objektwahl durch die Sozialisation von der Bezugsgruppe nach außen umorientiert<br />

wird und eine Fixierung nur in der Form der Aversion gegen die Mitglieder der<br />

Bezugsgruppe besteht.<br />

Der Urrollenkonflikt der Psychoanalyse ist der Ödipuskonflikt, der aufgehoben wird mit der<br />

Internalisierung des Über-Ichs, ganz gleich ob man ihren Beginn in das anfangende 2. Lebensjahr<br />

oder in das 4. Lebensjahr versetzt. Er erscheint mit der Einübung jener Form der<br />

Selbstdistanzierung, welche zugleich die Nähe familiärer Bindungen oder der Bindungen der<br />

Primärgruppe auf die Probe stellt. Es geht um die Stabilisierung einer Reizschwelle unter der<br />

Bedingung ständiger Anregung oder genauer: um die Hemmung der narzißtischen Libido,<br />

welche die Strebungen der prägenitalen Periode leitet, und zwar zunächst mit dem Ziel die<br />

aggressiven Anteile aus der sadistischen Fusion von Thanatos und Eros zu entäußern. Die<br />

Notwendigkeit der Mobilisierung der narzißtischen Libido zur Externalisierung der aggressiven<br />

Strebungen nach außen, auf die Objekte, um der Selbstzerstörung zu begegnen, führt zu einer<br />

sadistischen Einstellung des Kindes, der wiederum begegnet werden muß, um die narzißtische<br />

Abwehr der Aggressivität, welche die kindliche Angriffsbereitschaft hervorgebracht hat, zu<br />

hemmen, welche sich in diesem Fall gegen die narzißtische Libido des Kindes hemmend richtet.<br />

Diese Angriffshemmung wird durch die Idealisierung bestimmter Objekte, durch die<br />

Identifizierung mit bestimmten Objekten und die Projektion des diesen Hemmungen<br />

Abträglichen nach außen, d.h. auf Objekte außerhalb der Familie, außerhalb der Primärgruppe,<br />

hervorgebracht. Die Lösung dieser Aufgabe heißt die Überwindung des Ödipuskomplexes oder<br />

die Institutionalisierung des Über-Ich, welches das grausame archaische Über-Ich ablöst, von<br />

dem es sich durch eine Form moralischer Durchsäuerung und milderer Stimmung unterscheidet,<br />

die nicht zuletzt auf die erwachenden genitalen Strebungen zurückgeht, welche nicht nur<br />

den prägenitalen Autoerotismus einschränken und damit der Angriffsbereitschaft Anteile der<br />

narzißtischen Libido streitig machen, sondern die Objekte selbst nach ihrer erotischen oder aggresionsauslösenden<br />

Qualität zu differenzieren verlangt und damit auch von außen die<br />

Angriffshemmung unterstützen, welche der Motivation zu einer besonneneren und milderen<br />

Haltung den Objekten gegenüber zugute kommt.<br />

Dieser Rollenkonflikt wird in der ethologischen Perspektive nicht nur auf den Versuch der<br />

Inanspruchnahme der Geschlechterrollen der Eltern reduziert, sondern auf alle Erwachsenen<br />

innerhalb der Bezugsgruppe bezogen, denen damit die Funktion des zu generalisierenden<br />

Anderen zukommt. In dieser Form rechnet die Ethologie mit verschiedenen Sozialstrukturen<br />

und mit ihnen mit verschiedenen Selektionsergebnissen des zu internalisierenden Anderen.<br />

In der Korrelation der Sozial- und Sexualentwicklung oder der Sozial- und Sexualemanzipation<br />

stimmen beide Richtungen überein, sie unterscheiden sich also nur in der weiteren<br />

oder engeren Fassung der Bestimmung des Selektionssystems, das die Konfliktbeziehungen<br />

oder ihren Personenkreis bestimmt. Der von der Psychoanalyse konstatierten Ichautonomie<br />

und der Übernahme der Erwachsenenrollen entsprechen die von der Ethologie beobachtete<br />

Ablösung von der eigenen Horde oder Familie, um selber eine solche zu gründen. Beide<br />

Richtungen beobachten auch entsprechende Fehlhaltungen mißlungener Emanzipationsversuche;<br />

die Ethologie konstatiert Infantilisierung, "psychische Kastration" (Wickler) und Un-<br />

Frankfurt 1981, S.154<br />

200 S.Freud, Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Frankfurt 1980, S.76<br />

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