Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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Auf diese Weise wird die Seele des Menschen, der unsichtbare Teil seiner selbst, sein geheimer<br />
Name, stets mit dem Namen der Hälfte bezeichnet, zu der der Körper, d.h. der sichtbare Teil<br />
Walamba : bronor<br />
Yara : bramalar<br />
des Individuums, nicht gehört. Die Seele des Menschen<br />
verbindet ihn also sowohl mit der entgegengesetzten Hälfte, zu<br />
der er selber nicht gehört, als auch mit ihrem Gegesatz, dem<br />
Körper, und das System des Dualismus demonstriert auf diese Weise die Notwendigkeit des<br />
reziproken Ausgleichs der kosmologischen Hälften, denn Wondjina oder die Seele inkarniert<br />
sich stets in der entgegengesetzten Hälfte des Kosmos, aus der der Körper stammt. Jede<br />
Person gehört zu beiden Hälften, zu der einen gehört ihre Seele und zu der anderen ihr Körper.<br />
Und diese Zweiteilung jeder Person rahmt wiederum ihre totemistische Weiterdifferenzierung<br />
ein, welche systematisch durch vier Typen reguliert wird, die aber im Hinblick auf die einzelnen<br />
Totems, die jemand potentiell erben kann, ohne Schwierigkeit 13 oder sogar noch mehr<br />
Totems integrieren können.<br />
UNGARINYIN (Abstammung von Egos Frau)<br />
maringi Waiingi = wolmingi Wolmingi wolmingi Wolmingi = wuningi<br />
(VM) (FrV) (FrMV)<br />
Idje ngadji Nolingi = maringi Waiingi = wolmingi Wolmingi = malengi<br />
(VMBT) (FrMu) (FrMB)<br />
lalingi Ego = maringi Waiingi wolmingi<br />
(VMBST)<br />
wolmingi = Waiingi maringi = Nolingi<br />
Wir haben schon gesehen, daß die Wondjina oder die Geistkinder inkarnationsbereite Seelen,<br />
also Tote sind, so daß das System des <strong>Totemismus</strong> uns hier genau jenen Akt der Vergeltung<br />
offenbart, jenen Austausch der Opfergaben, der nach dem Urmord notwendig geworden ist:<br />
die Aufnahme einer Seele der Hälfte I, d.h. die Freigabe eines Körpers für einen reinkarnationsbereiten<br />
Ahnen der Hälfte II oder einer Seele aus seiner Gefolgschaft aus der entgegengesetzten<br />
Hälfte, vergilt mit dieser Gabe, dem Körper, was jener Seele einst von den Mitgliedern<br />
dieser Hälfte genommen worden ist. Banar tötete einst Kuranguli, also gibt die Yara-<br />
Hälfte den Körper und die Walamba-Hälfte die Seele (oder umgekehrt). Dieses Verhältnis von<br />
Leben und Tod drücken speziell die Hälftennamen der Nyigina aus: Wuiur und Kidir. Kidir ist<br />
der Name des Totenreiches und Kidir ist der Name des Hälftentotems, das sich die Heiratsklassen<br />
Burungu und Karimba teilen.<br />
Diese Komplementarität der Hälften und ihre Reproduktion durch das Individuum wird auch<br />
deutlich in den anderen Namen der Hälften bei den Ungarinyin, die sich auf den Körper selbst<br />
beziehen: bronor und bramalar, d.h. zu den Knochen (Walamba) oder zu der Haut (Yara)<br />
gehörig:<br />
Erst durch die Verbindung der Hälften in der Verbindung der Individual- und Clantotems<br />
kommt der ganze Körper aus Haut (bramalar) und Knochen (bronor) mit dem Fleisch (kian),<br />
d.h. mit seiner Gruppe, zu einer lebensfähigen Erscheinung zusammen, zu der auch die Seele<br />
(ya-yari) gehört, die das Individualtotem beisteuert. Wenn man dazu noch die Hinweise C.G.<br />
von Brandensteins über die Korrelation der Sections mit den Temperamenten und den Konstitutionstypen<br />
in Rechnung stellt, dann eröffnet der australische <strong>Totemismus</strong> nicht nur einen<br />
Ausblick auf die Idee von den kosmologisch konzipierten Austauschbeziehungen, sondern auch<br />
auf eine elaborierte Seelenkunde oder Psychologie der Aborigines.<br />
Schauen wir auf die Verbindung der Heiratsklassenzuordnung mit den Totemkombinationen,<br />
dann stellen wir fest, daß die Halbierung des Stammes nur die Abstammungsrechnung reflek-<br />
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