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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Weise zurückversetzt. "Das ya-yari Traumkind erscheint ihm während er schlafend im Camp<br />

liegt oder er sieht es als Wachender während der Wanderschaft im Busch aus einem Gewässer<br />

manchmal sogar aus fallendem Regen auf sich zukommen." 204 Dieses Verhältnis der Lebenden<br />

zu den Geistkindern demonstriert das aktive Verhältnis der Traumzeit und seiner Wesen zum<br />

Leben in der Gegenwart und das eigentümliche Ruhen der Gegenwart in der Traumzeit.<br />

Die Situationen und Bedingungen des Findens der Geistkinder werden genannt: 1) Träume von<br />

Ungud oder Wondjina, 2) Träume von Kolingi= Regen, der auch als Wondjina Kolingi verehrt<br />

wird, 3) plötzliche Ereignisse rätselhafter Natur: überraschende Erscheinung eines Tieres, eine<br />

Mirage, ein Steinschlag etc. Dieser Fund ereignet sich der Deszendenzregel entsprechend im<br />

Clangebiet des vererbenden Elternteils, der so einem Yari des Clanheros zur Existenz verhilft.<br />

"The term ngura... is also applied to a person's spirit home, the place in which he was<br />

>found< by his father; this is usually a part of the horde-country... The chance of<br />

>dreaming< the child and its totem outside the father's ngura is obviated by the sticklers for<br />

old beliefs by the fiction that the father must >find< his >spirit child< in his own hordeterritory."<br />

205<br />

Inkarniert befindet sich dann das Geistkind als eine Schlange im Herzen des Menschen. Dieses<br />

Bild der Schlange als Bild der Seele müssen wir in Beziehung setzen zu Ungud, der<br />

Regenbogenschlange und dem Seinsgrund des Kosmos, oder zu der Aussage über das "Zu-<br />

Ungud-werden" der Urzeitheroen, um zu begreifen, daß der Zustand des Geistkindes vor der<br />

Geburt (d.h. bei Ungud weilend) als reiner Seelenzustand angesprochen wird, auf den das Bild<br />

der Schlange hinweist, der er aber auch in der Verbindung mit einem lebendigen Körper als<br />

dessen Lebensprinzip (nach der Geburt) bleibt, und zwar solange er lebt, wenn auch in gestaltgebundener<br />

Form.<br />

Diese Bestimmung des Geistkindes Ya-Yari als Ungudschlange im Körper des Menschen ist<br />

auch von mystischer Bedeutung, denn sie klärt uns über das Mysterium der Vereinigung des<br />

Seienden mit dem Wesen, des Individuums mit dem Weltgrund auf: der Eingang in sich selbst,<br />

der Traum, die Vision, die Trance bringen das entzweite, seinem Urgrund entfremdete Individuum<br />

in jene Einheit und Übereinstimmung mit sich selbst zurück, d.h. in die Übereinstimmung<br />

mit der Traumzeit, welche das Sein der Traumzeit selbst bestimmt, und steigern auf<br />

diese Weise das Individuum zu einem urschöpferischen Mitglied der Traumzeit. Wer auf diese<br />

Weise bei sich selbst anfragt (Heraklit), findet in sich auch jene Einheit wieder, welche die<br />

sinnliche Differenzierung dem Individuum gewöhnlich verstellt, der findet also Ungud in sich<br />

selbst, d.h. die Seinsquelle alles Seienden und sich selbst in der Traumzeit.<br />

Wenn der Mann in einem Übergabetraum dieses Ya-yari auf die gleichfalls träumende Frau<br />

überträgt, geht diese Schlange durch die Scheide in sie über und wird im Mutterleib zu einem<br />

Ei, aus dem dann das Baby ensteht. Nicht jeder Fund eines Geistkindes muß zu einer Empfängnis<br />

führen. Das kann einmal daran liegen, daß der Konzeptionstraum der Frau ausbleibt,<br />

dann wiederum begründet sein durch die Tatsache, daß der Finder unverheiratet ist. Die<br />

Geistkinder können auch unbegrenzt aufgehoben oder an Ungud zurückgegeben werden. Ein<br />

unverheirateter Mann kann das Geistkind aber auch der Frau seines Bruders übertragen,<br />

niemals aber seiner Schwester, was allerdings die Zuschreibungs- und Heiratsregeln oder auch<br />

die Regeln der möglichen Totemkombinationen erklären (siehe unten), denn ein Individuum<br />

vereinigt auf sich wenigstens vier verschiedene Totems (amalad, ungur, kian und yari),<br />

meistens aber unter Berücksichtigung der Subtotems dieser vier erheblich mehr. 206<br />

Die Beziehung des Menschen zum Geistkind, das ihm erscheint, ist immer eine Beziehung des<br />

204 H.Petri, Sterbende Welt in Nord-West- Australien, Braunschweig 1954, S.165<br />

205 A.P.Elkin, Totemism in North-West Australia, Oceania III, 1932, S.265-7<br />

206 Findet ein Vater z.B. das Geistkind seines Sohnes außerhalb des Gebiets seiner Lokalgruppe, aber<br />

noch im Gemarkungsbereich seiner größeren patrilinearen Verwandtschaft, dann vervielfacht sich die Zahl der<br />

Totems, die er seinem Sohn vererbt (Clan-, Kultgruppen- und Hälftentotem) um die Totems der Gruppen des<br />

Fundortes, d.h. um deren Clan-, Kultgruppen- und Hälftentotems.<br />

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