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Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien

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Ratapa und Altjira<br />

Die Aranda unterscheiden zwei Totemtypen: Ratapa und Altjira. Strehlow schreibt, daß jeder<br />

Mensch zu zwei Totems in Beziehung steht, "einem dem er durch seine Geburt angehört, und<br />

einem zweiten, daß ihm zugehört, das durch seine Mutter auf ihn vererbt ist." 265<br />

Das erste, das Konzeptionstotem oder Ratapa, repräsentiert das Geistkind, das sich eine Mutter<br />

aussucht und sich im ausgetragenen Kinde verkörpert, während das zweite Totem das Ratapa<br />

der Mutter ist, das sobald es den Kindern vererbt worden ist, als deren Altjira angesprochen<br />

wird. Deshalb können die Kinder einer Mutter verschiedene Ratapa-Totems haben aber<br />

nur ein und dasselbe Altjira-Totem. 266 Kinder derselben Frau oder Kinder von Frauen mit<br />

demselben Ratapa haben auch alle dasselbe Altjira-Totem, während die Geschwistergruppe<br />

oder Geschwistergruppen, deren Mütter dasselbe Ratapa haben, sich intern durch ihre eigenen<br />

Ratapa unterscheiden. Die Ratapa-Differenzierung der Geschwistergruppen korrespondiert<br />

mit den Konzeptionsorten, während die Altjira-Übereinstimmung sich der Totemübereinstimmung<br />

ihrer Mutter oder Mütter verdankt. Das Siegel der Mutter verbindet ihre Kinder mit<br />

Gruppen aus der anderen Stammeshälfte, das Ratapa knüpft Verbindungen zu verschiedenen<br />

Lokalgruppen in der eigenen großväterlichen Hälfte.<br />

Nach der Beschreibung des Konzeptionsvorgangs durch Carl Strehlow wird das Ratapa-Totem<br />

patrilinear vererbt, d.h. genauer: das Ratapa eines Kindes gilt als die Emanation eines<br />

Totemvorfahren (altjirangamitjina), dessen Kultzentrum im Territorium der großväterlichen<br />

Lokalgruppe liegt und dementsprechend häufig gleicher Art ist wie das des paternalen Großvaters.<br />

"Geht eine Frau an einem Platz vorbei, an dem der verwandelte Leib eines Vorfahren<br />

steht -...-, so geht ein ratapa, der schon nach ihr ausgeschaut und in ihr seine Klassenmutter<br />

erkannt hat, durch ihre Hüfte in ihren Leib ein... Wird das Kind geboren, so gehört es... dann<br />

dem Totem des betreffenden altjirangamitjina an... Da nun die Schwarzen ein Wandervolk<br />

sind... so kommt es nicht selten vor..., daß die Kinder einer Familie den verschiedensten<br />

Totems angehören," 267 die allerdings allesamt wiederum als Ableger des Clanahnen des<br />

Schweifgebietes oder Gruppenterritoriums, das bei den Wanderungen nicht verlassen wird,<br />

angesehen werden können.<br />

(VaVa) Tjinapunta<br />

(Paltara)<br />

(Ngala) Kaltia (Va) Urbula (Knuraia)<br />

(So) Loatjiara<br />

(Paltara)<br />

Die Größe, mit der die Verteilung<br />

des Ratapatotems auf eine bestimmte<br />

Wahrscheinlichkeit hin<br />

kalkulierbar wird, wird durch die<br />

Bedingung der "richtigen Klassenmutter"<br />

näher bestimmt, d.h. man<br />

könnte sie als Subtotems des Klassentotems<br />

begreifen. Nur die richtige Klassenmutter vermag das Ratapa eines Lokalheroen<br />

hervorzulocken und anzuziehen, so daß schon in dieser Relation die soziale Komplementarität<br />

sichtbar wird, durch die allein neues Leben entstehen kann (die Verbindung der richtigen<br />

Heiratsklassen). Diese Reduktion geht auf die Zusammenfassung der Totems nach Gruppen<br />

zurück, welche mit den Sections der Aranda und Loritja kongruent sind. Tatsächlich lassen<br />

sich alle Totems den Sections zuschreiben und damit als Elemente der Menge der Section-<br />

Totems begreifen, also als Klassensubtotems. Die Ratapa-Totems der Section A sind die Elemente<br />

der Menge der Section-Totems A (f: A→A) und dementsprechend sind die Ratapa-<br />

Totems der Section H die Elemente der Menge der Section-Totems H (f: H→H). Nimmt man<br />

die Totems, die ein Individuum erben kann, als Repräsentanten der Sections, dann wird sofort<br />

265 C.Strehlow, Die Aranda- und Loritja- Stämme Zentralaustraliens, I,2, Frankfurt 1908, S.58<br />

266 Siehe: C.Strehlow, Die Aranda- und Loritja- Stämme Zentralaustraliens, I,2, Frankfurt 1908, S.57<br />

267 C.Strehlow, Die Aranda- und Loritja- Stämme Zentralaustraliens, I,2, Frankfurt 1908, S.53<br />

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