Totemismus Illusion - Horst Südkamp - Kulturhistorische Studien
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gruppen zu einer Einheit zusammenfaßt, stellt sich die Frage nach der sozialen Funktion dieser<br />
Form der infrafamiliären Differenzierung und transfamiliären Integration. Schwester und<br />
Tochter werden mit dem gleichen Geschlechtstotem unter verschiedenen Vorzeichen mit<br />
Mutter und Ehefrau gleichgestellt, Mutter und Ehefrau unterscheiden sich von Schwester und<br />
Tochter durch den Gegensatz: Eintritt und Austritt aus der Gruppe, d.h. die einen sind die<br />
Ehefrauen für die eigenen Gruppe, die anderen sind die Ehefrauen für die anderen Gruppen.<br />
Diese Gleichsetzung deklariert sie zu Ehefrauen, die als Schwester und Tochter tabu sind,<br />
während sie als Schwestern der Brüder der Mutter (MZ) oder als deren Töchter (MBT)<br />
begehrt werden. Welche Vertreterinnen des Frauentotems gemieden und welche begehrt<br />
werden dürfen, kann nur an dem Merkmal abgelesen werden, das sie als Population des<br />
mütterlichen Exemplars von den Populationen anderer Frauen unterscheidet. Deshalb<br />
kennzeichnen die Relationen: Person-Exemplar und Spezies-Gruppe hier die verschiedenen<br />
Funktionen der Differenzierung und der Integration der Gruppen. Die Person-Exemplar-<br />
Beziehung im Geschlechtstotemismus trennt die Frauen der eigenen Gruppe (M (MZ), Z, T)<br />
von den Frauen der anderen Gruppe (VZ, MBT, MBST), ebenso wie die Männer der eigenen<br />
Gruppe (V, Ego, B, S) von den Männern der andere Gruppe (MB, MBS, MBSS), während die<br />
Gruppe-Spezies-Beziehung die Frauen der Allianz von den Männern dieser Allianz<br />
unterscheidet, die Frauen wie die Männer aber als Vertreter dieser Allianz auszeichnet.<br />
Das gemeinsame Merkmal aller Gruppen des Stammes ist das Geschlechtstotem, mit ihm<br />
manifestiert sich die Stammesmitgliedschaft, jedes andere Totem, sei es das Individual-, das<br />
Gruppen- oder das Kult-Totem, bezeichnet nur soziale Untereinheiten (Clan, Lokalgruppe)<br />
oder Beziehungen von Personen zu Gruppen (Lokalgruppe) oder zum Kosmos.<br />
Die Gegebenheit eines starken Alter-Ego-Glaubens und der speziell regulierten Assoziation des<br />
Alter-Ego-Tieres mit der Person erlaubt, die Beschwörung dieser Beziehung (Person-<br />
Exemplar) auszudehnen auf die Bindung an eine Lokalgruppe (Personen, welche die gleiche<br />
Beziehung zu Exemplaren derselben Spezies unterhalten) und die so verbundene Gruppe,<br />
deren Einheit man mit dem Hinweis auf die Spezies ihrer Alter-Ego-Exemplare ausdrücken<br />
kann von anderen Gruppe zu unterscheiden, und diese Gruppen ihrerseits mit anderen Spezies<br />
zu kennzeichnen und so das Verhältnis der Gruppen als Verhältnis dieser Spezies zu reflektieren,<br />
deren regulierte Gegenseitigkeit wiederum die organische Solidarität des Stammes darstellt<br />
als Interaktion und Kommunikation der Spezies und ihrer Exemplare, deren Komplementarität<br />
der Geschlechtstotemismus reflektiert.<br />
Die Totemzuschreibung nach der parallelen Deszendenzregel erzeugt die Aufteilung der Gesellschaft<br />
in zwei geschlechtsspezifische Hälften, welche die Zuschreibung der Personen zu ihren<br />
Lokalgruppen transzendiert, aber die interne Person-Exemplar-Differenzierung der<br />
Gruppen differenziert die Totemgruppen in solche mechanischer und organischer Solidarität.<br />
In dem Maße, in dem die Beobachter dieses Geschlechtstotemismus nur dem Ausdruck des<br />
geschlechtlichen Gegensatzes ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben, haben sie auch seine<br />
soziale Integrationsfunktion übersehen, nämlich die Zusammenfassung aller Lokalgruppen in<br />
zwei große komplementäre Hälften, welche jede für sich zwar ein Extrem des Geschlechtsgegensatzes<br />
repräsentiert, aber gerade durch diesen Gegensatz, den er repräsentiert, die Einheit<br />
aller Lokalgruppen in einem Stamm zum Ausdruck bringt und festschreibt, welche sich<br />
grundsätzlich nur dem Austausch der Geschlechter verdankt.<br />
Der Gegensatz von Vater und Tochter (=Frau für andere), Bruder und Schwester (Frau für<br />
andere), der durch die parallele Zuschreibung der Totems zum Ausdruck gebracht wird, ist der<br />
Gegensatz, den die Exogamie begründet und der nur von der Exogamie ausgeräumt werden<br />
kann. Zwar wird der Verlust, den die Abtretung der eigenen Frauen einer Lokalgruppe<br />
bedeutet, durch die Einheirat fremder Frauen aufgehoben, aber der innere Riß der Gruppen<br />
damit zugleich auch festgeschrieben. Es müssen die eigenen Frauen der Gruppe gehen, damit<br />
die Männer der Gruppe von anderen Gruppen Frauen erhalten können. Der Konflikt der Geschlechter,<br />
der mythologisch und rituell besonders akzentuiert wird, reflektiert die Problematik<br />
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