17/13672 - Deutscher Bundestag
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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>13672</strong> – 130 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />
Die Prognose der längerfristigen Beschäftigungsentwicklung<br />
bis 2030 sieht im Szenario Mobilitätskonzepte keinesfalls<br />
freundlicher aus, wenngleich sie nicht einfach<br />
eine Verdopplung der negativen Effekte bis 2020 mit sich<br />
bringt. Für die positiveren Modellannahmen mit einer jährlichen<br />
Arbeitsproduktivitätssteigerung von 2 Prozent errechnet<br />
sich ein Beschäftigungsrückgang zwischen 3,3 und<br />
8,4 Prozent, entsprechend einem Arbeitsplatzabbau von<br />
etwa 56 000 bis 137 000 Arbeitsplätzen im Inland. Sehr<br />
viel kräftiger fällt der Rückgang dann aus, wenn eine<br />
jährliche Produktivitätssteigerung von 3 Prozent unterstellt<br />
wird. Die Modellergebnisse prognostizieren dann einen<br />
Beschäftigungsrückgang zwischen 20,5 und 24,7 Prozent,<br />
entsprechend etwa 346 000 bis 401 000 inländischen<br />
Arbeitsplätzen.<br />
Die bis 2030 recht pessimistischen Modellprognosen sind<br />
dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der zunehmenden<br />
Durchdringung von multimodalen Mobilitätskonzepten<br />
mit Nutzungs- statt Besitzansprüchen, insbesondere in<br />
urbanen Räumen von Industrie- und Wachstumsländern,<br />
von einer deutlich reduzierten Wertschöpfungsentwicklung<br />
insbesondere der Automobilhersteller selbst (OEM)<br />
ausgegangen wird. In der Folge belaufen sich die mittleren<br />
jährlichen Wertschöpfungssteigerungen nur auf etwa<br />
1,4 bis 1,5 Prozent, welche signifikant unterhalb der Annahmen<br />
zur Zunahme der Arbeitsproduktivität von 2 bis<br />
3 Prozent liegen. Dies führt in der Folge zu einer Reduktion<br />
der für die Herstellung der Fahrzeuge zukünftig benötigten<br />
Beschäftigten in Deutschland. Umso wichtiger<br />
wird es für die deutschen Automobilhersteller und ggf.<br />
auch die großen Zulieferer, eigene Mobilitätskonzepte zu<br />
entwickeln und sich mit an die Spitze der Entwicklung<br />
solcher Dienstleistungs- und Geschäftsmodelle zu setzen.<br />
Nur dann ist es ihnen möglich, über die Zusammensetzung<br />
der Flotte in der jeweiligen Mobilitätsregion mitzubestimmen<br />
und einen entsprechenden Anteil der eigenen<br />
Modellpalette zu sichern. Hier abwartend zu sein, könnte<br />
aufgrund der bis 2030 potenziell deutlich negativen Wertschöpfungseffekte<br />
sehr risikoreich sein.<br />
Exkurs: Auswirkungen auf das Kfz-Gewerbe<br />
Wartungskosten entstehen bei konventionellen Antrieben<br />
zum Großteil durch den Wechsel von Verschleißteilen<br />
(Zündkerzen- und Luftfilteraustausch sowie Tausch des<br />
Kraftstofffilters) und den regelmäßigen Ölwechsel. Bei<br />
Durchführung der „großen Wartung“ entfallen auf diese<br />
Arbeiten bis zu 80 Prozent der Gesamtarbeitszeit (HPI<br />
2005). Die technologiebezogenen Wartungskosten der<br />
Brennstoffzelle und auch einer Batterie sind erheblich geringer:<br />
Die Materialkosten können sich im Laufe eines<br />
Autolebens um bis zu 900 Euro verringern, was sich<br />
hauptsächlich durch den Wegfall des Motoröls erklärt<br />
(HPI 2005).<br />
Welche Wartungsschritte bei FCEV und BEV hinzukommen,<br />
konnte bislang noch nicht umfassend genug<br />
untersucht werden. Elektrisch betriebene Fahrzeuge<br />
verfügen in der Regel über ein vereinfachtes, einstufiges<br />
Getriebe und eine vereinfachte Kupplung. Darüber hinaus<br />
entfallen Verschleißarbeiten an Motor und Motorelektrik.<br />
Dementsprechend ist bei elektrischen Fahrzeugen<br />
mit einer geringeren Reparaturanfälligkeit zu<br />
rechnen und damit einhergehend mit geringeren Kosten<br />
was die Wartung des Fahrzeugs betrifft. Ein weiterer interessanter<br />
Punkt ist die durch Wartung und Reparatur<br />
einhergehende Komplexität der durch Kfz-Mechaniker<br />
durchzuführenden Arbeiten. Trotz geplanter bzw. durchgeführter<br />
Schulungen der Mitarbeiter in den vertragsgebundenen<br />
Werkstätten durch die Automobilhersteller,<br />
die alternativ angetriebene Fahrzeuge verkaufen, muss<br />
doch zumindest in der Einführungsphase der neuen<br />
Technologien mit einem erhöhten Zeitaufwand bei der<br />
Arbeit an alternativ betriebenen Fahrzeugen gerechnet<br />
werden.<br />
Zudem werden sich die Anforderungen an die Arbeitskräfte<br />
ändern. Waren bisher hauptsächlich Kenntnisse in<br />
der Mechanik Inhalt der Ausbildung, so werden bei alternativen<br />
Antrieben zunehmend Kenntnisse in der<br />
Elektrotechnik gefragt sein. Folglich ist damit zu rechnen,<br />
dass weniger Arbeitsaufwand bei den Reparaturen<br />
an Antrieb und Getriebe entsteht, jedoch gleichzeitig<br />
höherwertige Ausbildungen erforderlich sind (HPI 2005).<br />
5. Zwischenfazit der Wertschöpfungsszenarien<br />
Die drei Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzszenarien<br />
zeichnen differenzierte Zukunftsbilder für die deutsche<br />
Automobilindustrie.<br />
Das Szenario 1 beschreibt eine Zukunft, in der die bestehenden<br />
technologischen Entwicklungspfade in inkrementeller<br />
Weise fortgeschrieben werden und der weltweite<br />
Automobilmarkt weiter wächst wie bisher. 2030 wird das<br />
Gros der Neufahrzeuge immer noch konventionell angetrieben<br />
sein. Die deutsche Automobilindustrie kann dabei<br />
vom weltweiten Wachstum profitieren. Allerdings wird<br />
der Automobilstandort Deutschland nicht verhältnisgleich<br />
am weltweiten Wachstum profitieren können. Vor<br />
allem im kommenden Jahrzehnt wird sich die Wertschöpfung<br />
an ausländischen Standorten deutlich besser entwickeln<br />
als die in Deutschland. In Deutschland werden die<br />
Produktionskapazitäten weitgehend zur Produktion hochwertiger<br />
und hochpreisiger Fahrzeuge genutzt werden mit<br />
dem Ziel, die Kapazitäten möglichst gut auszulasten. Für<br />
die kommenden Jahre ist vor dem Hintergrund des weltweiten<br />
Wachstums mit einer stärkeren Zunahme von Arbeitsplätzen<br />
zu rechnen. Im positivsten Fall können bis<br />
Ende des Jahrzehnts bis zu 300 000 neue Arbeitsplätze<br />
entstehen. Die langfristigen Prognosen sind allerdings<br />
nicht eindeutig positiv. In Abhängigkeit der Produktivitätsentwicklung<br />
im Automobilsektor kann es zum Aufbau<br />
oder zum Abbau von Arbeitsplätzen kommen. Vor dem<br />
Hintergrund, dass sich die Automobilindustrie auf bekannten<br />
technologischen Pfaden bewegt, scheint die Erschließung<br />
größerer Produktivitätspotenziale und die<br />
damit einhergehende Reduktion von Arbeitsplätzen zumindest<br />
eine weniger ferne Option zu sein als niedrige