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17/13672 - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 137 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>13672</strong><br />

2.1 Stärken<br />

Die größte Stärke der deutschen Automobilindustrie liegt<br />

in der Abdeckung des Premiumsegmentes. Global gesehen<br />

stammen vier von fünf verkauften Fahrzeugen der<br />

Ober- und oberen Mittelklasse aus deutscher Produktion.<br />

Dieses Premiumimage konnte in den letzten Jahren auch<br />

erfolgreich auf kleinere Fahrzeugsegmente übertragen<br />

werden. Gleichzeitig werden die deutschen Premiumhersteller<br />

in vielen Feldern als Technologieführer gesehen<br />

und kultivieren diese Position als Bestandteil ihres Premiummarkenimages.<br />

Diese Technologieführerschaft stützt<br />

sich auf die konstant hohen FuE-Budgets der deutschen<br />

Hersteller, die es ermöglichen, zahlreiche Innovationen<br />

parallel und als Erster hervorzubringen. Dementsprechend<br />

behaupten die deutschen Hersteller sich auch in<br />

den von den Nachbeben der Finanzkrise geprägten Jahren<br />

2010 und 2011 mit ausgezeichneten Absatzzahlen am<br />

Markt. Der Automotive Performance Index fasst diese<br />

Aspekte zu einem Index aller 18 global agierenden Automobilhersteller<br />

zusammen. Drei der vier Toppositionen<br />

werden 2010 von den deutschen OEM VW (mit Audi),<br />

Daimler und BMW eingenommen (Bratzel et al. 2011).<br />

Zu diesem Erfolg heute trägt sicher auch die ausgezeichnete<br />

Positionierung auf dem stark wachsenden chinesischen<br />

Markt bei sowie die grundsätzlich globale Aufstellung<br />

der erfolgreichen deutschen OEM, die Optionen<br />

eröffnet, Verluste in schwachen Märkten durch Gewinne<br />

in Wachstumsmärkten zu kompensieren. Zuletzt sind die<br />

deutschen OEM, insbesondere der VW-Konzern und Daimler,<br />

am weitesten fortgeschritten bei der Implementierung einer<br />

konzentrierten Baukastenproduktionsstrategie, die die<br />

Herstellung einer großen Zahl von Fahrzeugtypen mit einer<br />

möglichst kleinen Zahl an Plattformen erlaubt.<br />

2.2 Schwächen<br />

Auch deutsche OEM sind mit Produktionskapazitäten im<br />

europäischen Ausland engagiert und somit auch von den<br />

dort niedrigen Auslastungen der Werke durch schwache<br />

Absatzzahlen betroffen (z. B. in Südeuropa). Die Entwicklung<br />

der Finanz- und Eurokrise 2011/2012 und die<br />

bestehenden Überkapazitäten geben eher Anlass zu Pessimismus<br />

hinsichtlich einer Verbesserung der Auslastung<br />

dieser Werke.<br />

Zwei weitere Schwächen sind der Pfadabhängigkeit der<br />

deutschen OEM durch ihre langjährigen Erfolge mit<br />

dynamischen und effizienten Verbrennungsmotoren geschuldet.<br />

Als ingenieurkulturelle Pfadabhängigkeit könnte<br />

die Fixierung der Entwicklungsingenieure auf den Verbrennungsmotor<br />

und seine weitere Verbesserung bezeichnet<br />

werden, die dazu führt, das alternative Antriebsformen<br />

tendenziell ignoriert oder gering geschätzt werden.<br />

Damit im Zusammenhang steht auch die weitgehende<br />

Abwanderung der Batterieforschung und produktion aus<br />

Deutschland, da diese im Automobilbereich nicht als<br />

wertschöpfend angesehen wurde und zugleich dem allgemeinen<br />

Trend folgte, solche Technologien aus Deutschland<br />

meist nach Asien zu verlagern. Damit existiert in<br />

Deutschland keine nennenswerte Produktion von Hochleistungsbatterien<br />

mehr.<br />

2.3 Chancen<br />

Chancen – als externe und zukünftige Aspekte – lassen<br />

sich in einer Erweiterung der Absatzmärkte um Brasilien<br />

als Wachstumsmarkt in Südamerika sowie etwas eingeschränkt<br />

auch in anderen südamerikanischen Märkten<br />

und Mexiko identifizieren. Als „wild card“ unter den Automobilmärkten<br />

aus deutscher Sicht muss Indien gesehen<br />

werden. Trotz eindeutiger Wachstumstrends des Pkw-Absatzes<br />

in Indien ist heute noch unklar, ob und wie deutsche<br />

Hersteller von diesem Wachstum profitieren können.<br />

Die Elektromobilität mit BEV und PHEV wird sich in<br />

den kommenden Jahren unter angemessener Beteiligung<br />

der deutschen OEM entwickeln, ohne dass diese hier eine<br />

Führungsposition angestrebt haben. Anders sieht dies bei<br />

der Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technologie aus. Daimler<br />

gehört zu den OEM, die hier eine First-Mover-Position<br />

einnehmen. Die forcierte Nutzung dieser Chance<br />

könnte bedeutsam sein, da nicht ausgeschlossen werden<br />

kann, dass Fortschritte in der Batterietechnologie und deren<br />

Markteinführung zu Lernkurveneffekten führen werden,<br />

die Kosten und Reichweite der Batterien den Brennstoffzellen<br />

ebenbürtig machen, insbesondere da letztere<br />

eine geringere Gesamtenergieeffizienz aufweisen und<br />

eine aufwendigere Betankungsinfrastruktur benötigen als<br />

Batteriefahrzeuge.<br />

Die Beteiligung der Automobilindustrie am Aufbau neuer<br />

vernetzter Mobilitätskonzepte bietet eine Chance, ihr Geschäftsmodell<br />

neben dem Produktverkauf auf ein zweites<br />

Standbein zu stellen: die Mobilitätsdienstleistungen.<br />

Gleichzeitig kann in Carsharingsystemen als Bestandteil<br />

solch neuer Mobilitätskonzepte die Diffusion neuer Technologien<br />

beschleunigt und den Kunden eine Möglichkeit<br />

gegeben werden, diese Technologien zu erfahren. Dies<br />

gilt z. B. besonders für die Elektromobilität.<br />

2.4 Risiken<br />

Die Setzung von ambitionierten Klimaschutz- und Energieeffizienzzielen<br />

mit legislativer Unterlegung könnte<br />

den Absatz im Premiumsegment reduzieren. Hierbei<br />

könnte das psychologische Element, dass „Spritschlucker“<br />

als nicht mehr zeitgemäß angesehen werden, eine<br />

größere Rolle spielen, als ein Verfehlen der Einhaltung<br />

der Effizienzziele und damit verbundene Strafzahlungen.<br />

Als zweites Risiko sollte die Einführung neuer Mobilitätskonzepte<br />

mit der Folge eines Rückganges der privaten<br />

Pkw-Zahlen und damit des Umsatzes und der Wertschöpfung<br />

der Automobilindustrie genannt werden. Hier kann<br />

allerdings gegengesteuert werden, in dem die OEM die<br />

Mobilitätsdienstleistungen selbst anbieten und so neue<br />

Wertschöpfung auf Dienstleistungsbasis generieren.<br />

Die beiden nächsten Risiken sind teilweise gekoppelt: Die<br />

deutsche Automobilindustrie scheitert mit der Etablierung<br />

als Leitanbieter bei der Elektromobilität. Je mehr sich diese<br />

durchsetzt, desto deutlicher würden dann Marktanteile an<br />

die erfolgreichen Leitanbieter abgegeben, auch auf dem<br />

deutschen Heimatmarkt. Eine Ursache könnte darin liegen,<br />

dass es den deutschen OEM oder Systemzulieferern<br />

nicht gelingt, eine eigene Batterieproduktion aufzubauen<br />

und so ein großer Teil der Wertschöpfung in der Elektromobilität<br />

verloren geht, bzw. Anbieter mit eigener Produktion<br />

günstigere Fahrzeugpreise offerieren können.

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