17/13672 - Deutscher Bundestag
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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>13672</strong> – 96 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />
möglichen, ausgebaut. Unter dem Begriff „fifth mode“<br />
etabliert sich ein solcher Ansatz gerade im europäischen<br />
Raum (Schade/Rothengatter 2011). Eine zentrale Rolle<br />
werden dabei transparente Abrechnungssysteme sowie<br />
benutzerfreundliche und flexible Buchungssysteme spielen.<br />
Entscheidend für die Umsetzung wird aber auch die<br />
standardisierte Bereitstellung und freie Zugänglichkeit<br />
von Fahrplandaten („open data“) sein.<br />
3.2 Mögliche Strategien der Automobilhersteller<br />
Der Einstieg in die neuen Mobilitätskonzepte sollte aus<br />
mehreren Gründen für die Automobilhersteller interessant<br />
sein: Mobilitätskonzepte und im Besonderen der<br />
Baustein Carsharing bieten zum einen die Generierung<br />
von Wertschöpfung und zum anderen die Möglichkeit,<br />
die Markenpräsenz der Automobilhersteller in den Städten<br />
gezielt zu erhöhen. Gleichzeitig können technologische<br />
Neuerungen direkt im Alltagsbetrieb getestet werden.<br />
Mit steigender Nutzung der Mobilitätskonzepte und einem<br />
umfassenderen Ausbau wird der Trend sich verstärken,<br />
auf den privaten Pkw zu verzichten. Dies kann zu<br />
deutlichen Umsatzrückgängen beim Absatz von Neufahrzeugen<br />
führen. Nimmt man an, dass bis 2030 etwa<br />
37 Prozent der deutschen Bevölkerung (entspricht allen<br />
Einwohnern in Städten ab 50 000 Einwohner) grundsätzlich<br />
Zugang zu Mobilitätskonzepten hat, so wären bei<br />
heutigem Nutzerverhalten der Carsharingmitglieder Umsätze<br />
für Carsharing in einer Bandbreite von 1 bis etwa<br />
5,5 Mrd. Euro generierbar (Berechnungen basierend auf<br />
Fraunhofer ISI 2012). Steigt die Nutzung von Carsharing<br />
bei besser ausgebauten Systemen, würden sich die Umsätze<br />
entsprechend erhöhen. Gleichzeitig werden einige<br />
Nutzer auf ihren privaten Pkw verzichten. Tritt dies ungefähr<br />
in heutigem Umfang ein, entsteht jährlich ein Umsatzrückgang<br />
von 1,3 bis 3,6 Mrd. beim Verkauf von<br />
Pkw. Mit der Erweiterung der Angebote zu Mobilitätskonzepten<br />
steigt das Umsatzpotenzial weiter und kompensiert<br />
den Verlust beim Absatz von Pkw.<br />
Neben direkten Effekten auf Umsatz und Gewinn, erreicht<br />
Carsharing eine erhöhte Markenpräsenz in den<br />
Städten. Bei den bereits betriebenen flexiblen Systemen<br />
von „car2go“ und „DriveNow“ hat dies zur Folge, dass<br />
im städtischen Bereich etwa 300 bis 1 200 Fahrzeuge eines<br />
bestimmten Typs unterwegs sind. Die markanten<br />
Fahrzeuge der Flotten sind deutlich im Stadtbild sichtbar<br />
und tragen zum Bekanntheitsgrad der Marken bei. Carsharing<br />
bietet die Möglichkeit der frühzeitigen Markenbindung<br />
junger Nutzer und schafft so auch ein Potenzial, wenn<br />
diese sich später zur Anschaffung eines privaten Pkw entscheiden<br />
sollten.<br />
Ein weiterer Vorteil für die Automobilindustrie ist die<br />
Möglichkeit, technologische Neuerungen schnell und mit<br />
geringem Aufwand im Alltagsbetrieb testen zu können.<br />
Dies betrifft Kommunikationstechnologien im Fahrzeug,<br />
aber auch elektrisch betriebene Fahrzeuge, wie es momentan<br />
bei „car2go“ in Amsterdam und San Diego der<br />
Fall ist. Informationen zu Fahrzyklen, Fahrverhalten sowie<br />
Kundenanforderungen können so einfach gesammelt<br />
werden.<br />
Nach anfänglichem Zögern ist seit 2009 auch die deutsche<br />
Automobilindustrie aktiv geworden und entwickelt<br />
ihre eigenen Mobilitätsansätze. Welche Kooperationen<br />
zwischen etablierten Marken der Mobilität und Neu-/<br />
Quereinsteigern letztendlich zielführend sein werden und<br />
sich am Markt etablieren können, ist heute noch sehr<br />
schwer abzuschätzen. Die Stärken der Automobilindustrie<br />
sind aus heutiger Sicht im Bereich Carsharing zu<br />
sehen. Besonders die flexiblen Ansätze scheinen erfolgversprechend<br />
zu sein. Die Erweiterung auf ein Fahrzeugsortiment,<br />
welches alle Fahrzeugklassen umfasst, empfiehlt<br />
sich, um den Nutzern attraktive Alternativen zum<br />
privaten Pkw zu bieten.<br />
Das Anbieten von vernetzten Mobilitätskonzepten umfasst<br />
ein ausgereiftes Informations-, Buchungs- und Abrechnungssystem<br />
sowie ein Flottenmanagement. Ein solches<br />
integratives Mobilitätsangebot könnte neue Anbieter<br />
in der Personenmobilität zum Zuge kommen lassen. Zum<br />
einen sind dies Technologiekonzerne, die entsprechende<br />
Elektronikgroßsysteme anbieten können (wie Siemens<br />
oder IBM). Zum anderen verfügen auch die globalen Internetkonzerne,<br />
wie Google oder Facebook, über erste<br />
Konzepte (Google Transit) und die entsprechenden Zugangskanäle<br />
zu den Nachfragern sowie über das Knowhow<br />
zur Entwicklung solcher Systeme.<br />
V. Globale Entwicklung der Automobilmärkte<br />
Die globalen Automobilmärkte befinden sich seit einigen<br />
Jahren im Umbruch. Parallel zur Stagnation der Absatzzahlen<br />
auf den Triade-Märkten in USA, Japan und der EU<br />
entfaltet sich ein rasantes Wachstum der BRICS-Märkte.<br />
Die Kundenanforderungen dieser dynamischen Märkte unterscheiden<br />
sich teilweise deutlich von den traditionellen<br />
Absatzmärkten. Gerade in den dicht besiedelten Staaten<br />
wie China und Indien spielen die Klein- und Minisegmente<br />
eine sehr große Rolle. Gleichzeitig ist in manchen<br />
Schwellenländern aber auch ein Wachstum des Luxusklassesegments<br />
zu beobachten.<br />
Für die deutschen Automobilhersteller waren in den letzten<br />
Jahrzehnten hauptsächlich die Triade-Märkte von<br />
Interesse. Mittelfristig erscheint eine Verschiebung dieser<br />
Interessenslage hin zu den BRICS-Märkten aufgrund der<br />
dort hohen Wachstumsraten sehr wahrscheinlich<br />
(Abb. V.1).<br />
Die ausgeprägten Exportverflechtungen der deutschen<br />
Automobilindustrie (Kap. III) erfordern zwingend eine<br />
Berücksichtigung weltweiter Marktentwicklungen. Triade-<br />
und BRICS-Länder müssen dabei zukünftig beide<br />
als wichtige Absatzmärkte wahrgenommen werden. Besonders<br />
die starke Dynamik der Länder China, Indien und<br />
Brasilien fordern in Ergänzung zu Status-quo-Betrachtungen<br />
modellbasierte und validierte Prognosen.