17/13672 - Deutscher Bundestag
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Drucksache <strong>17</strong>/<strong>13672</strong> – 90 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode<br />
Ein Viertel der Unternehmen berichtet von verkürzten<br />
Produktlebenszyklen, etwa ein Siebtel von verlängerten<br />
Produktlebenszyklen. Eine eindeutige Tendenz zur Verkürzung<br />
der Produktlebenszyklen bei Automobilzulieferern,<br />
wie sie in Ausarbeitungen zu relevanten Trends in<br />
der Produktion häufig vermutet werden, kann im Rahmen<br />
dieser Umfrage also nicht festgestellt werden. Bei der<br />
Differenzierung nach Unternehmenscharakteristika zeigen<br />
wiederum KMU das Bild einer geringeren Betroffenheit.<br />
Hier berichten etwa 24 Prozent der Unternehmen<br />
von verkürzten Produktlebenszyklen, während dieser Anteil<br />
bei größeren Unternehmen etwa ein Drittel beträgt.<br />
Interessant ist darüber hinaus insbesondere, dass Zulieferer<br />
der 2. Stufe und folgende mit einem Anteil von<br />
35 Prozent signifikant häufiger über verkürzte Produktlebenszyklen<br />
berichten als Zulieferer auf der 1. Stufe<br />
(18 Prozent). Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass<br />
die Erneuerung zwischen ähnlichen Modellpaletten und<br />
bei Programmen innerhalb einer Modellpalette weniger<br />
bei den gesamten Systemen an sich stattfindet als bei den<br />
einzelnen Komponenten, die in den weiter aufwärts gelagerten<br />
Stufen der Wertschöpfungskette entwikkelt und<br />
hergestellt werden.<br />
Auch hinsichtlich ihrer zukünftigen Erwartung zur Entwicklung<br />
der Produktlebenszyklen bis ins Jahr 2020 berichten<br />
die meisten der befragten Zulieferer von gleichbleibenden<br />
Erwartungen (46 Prozent). Allerdings ist der<br />
Anteil der Zulieferer, die zukünftig eine Verkürzung erwarten,<br />
mit 40 Prozent signifikant höher als in der Vergangenheit<br />
beobachtet (etwa 27 Prozent). Auch hier sind<br />
die Erwartungen hinsichtlich einer zukünftigen Verkürzung<br />
der Produktlebenszyklen bei KMU wiederum geringer<br />
ausgeprägt als bei größeren Unternehmen (33 Prozent<br />
vs. 50 Prozent); hinsichtlich der Stellung in der Wertschöpfungskette<br />
zeigt sich der für die Vergangenheit beobachtbare<br />
Unterschied bei den zukünftigen Erwartungen<br />
allerdings nicht mehr.<br />
Insgesamt lässt sich hinsichtlich der vermuteten Verkürzung<br />
der Produktlebenszyklen festhalten, dass diese im<br />
Unterschied zur Erhöhung der Variantenzahl für die Zukunft<br />
stärker erwartet wird als in der Vergangenheit erlebt.<br />
Die deutschen Automobilzulieferer scheinen davon<br />
auszugehen, dass sich die weiter gehenden Ausdifferenzierungen<br />
der Modellpaletten, insbesondere auch um Modelle<br />
mit alternativen Antriebstechnologien und neuen<br />
Fahrzeugkonzepten, weiter verkürzend auf die Lebenszyklen<br />
ihrer Produkte und Komponenten auswirken werden.<br />
Im Zusammenhang mit den gestiegenen Innovationsanstrengungen,<br />
die sie in Zukunft gegebenenfalls über eine<br />
kürzere Produktlebenszeit im Markt finanzieren müssen,<br />
könnte dies Zulieferer mit bereits geringen Margen in ein<br />
existenzielles Dilemma bringen. Hier gilt es zukünftig genau<br />
zu beobachten, wie sich diese Schere auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der deutschen Zulieferer, insbesondere der<br />
bei neuen Antriebs- und Fahrzeugkonzepten innovativ tätigen,<br />
auswirkt.<br />
3. Ergänzung des Produktportfolios durch<br />
neue Mobilitätskonzepte<br />
Bisher genannte Strategien beziehen sich auf Veränderung<br />
und Optimierung an Größe, Design und Antrieb des<br />
Automobils mit dem Ziel ein Produktportfolio anzubieten,<br />
das möglichst vielen individuellen Kundenwünschen<br />
genügt und den wachsenden Anforderungen an Energieeffizienz<br />
und Klimaschutz gerecht und so die Automobilindustrie<br />
als reiner Produzent und Verkäufer von Fahrzeugen<br />
erhalten wird.<br />
Sowohl Wissenschaft als auch Unternehmensberatungen<br />
und Verbände weisen aber auf die Möglichkeit einer ganz<br />
anderen Entwicklung hin: dem Wandel der Automobilindustrie<br />
vom reinen Verkäufer eines Fahrzeugs zum Anbieter<br />
von Dienstleistungen im Bereich der Mobilität<br />
(Urry 2007; Canzler/Knie 2009; Schade et al. 2011;<br />
Huber et al. 2011; Adler 2011, Arthur D. Little 2011;<br />
Frost & Sullivan 2012b).<br />
„Nutzen statt besitzen“ sind hier die Schlagworte. Der<br />
Wunsch nach Besitz eines Automobils könnte zunehmend<br />
abgelöst werden durch das Bedürfnis, mobil zu sein – optimal<br />
auf den Fahrtzweck angepasst, aber egal mit welchem<br />
Verkehrsmittel und damit flexibel in der Verkehrsmittelwahl,<br />
von Auto über Fahrrad und Mitfahrgelegenheit bis<br />
hin zu Bus und Bahn. Mobilitätsdienstleistungen rund um<br />
diese flexible (Auto-)Mobilität könnten attraktive Antworten<br />
auf diese neuen Bedürfnisse geben.<br />
Die neuen Mobilitätsdienstleistungen können vielschichtig<br />
sein und vom Angebot eines Carsharingsystems in<br />
einigen ausgewählten Städten, über die Ermittlung von<br />
optimalen multimodalen Wegeketten bis hin zur Buchung,<br />
Reservierung und Bezahlung aller Verkehrsmittel einer<br />
multimodalen Wegekette reichen. Zwei wichtige Voraussetzungen<br />
müssen in jedem Fall geschaffen werden: Erstens<br />
ist eine Vernetzung sowohl von IT-Systemen als auch<br />
von verschiedenen Verkehrsmitteln erforderlich, deswegen<br />
wird auch von der vernetzten Mobilität gesprochen, und<br />
zweitens müssen diese vernetzten Mobilitätsdienstleistungen<br />
durch rentable Geschäftsmodelle hinterlegt sein.<br />
3.1 Mobilitätskonzepte als Antwort auf<br />
verändertes Mobilitätsverhalten<br />
Das Mobilitätsverhalten junger Erwachsener unterliegt<br />
heute einem Veränderungsprozess, insbesondere im urbanen<br />
Raum. Eine gleichbleibend hohe Nachfrage nach<br />
Mobilität geht einher mit der wachsenden Bereitschaft<br />
unterschiedliche Verkehrsmittel häufiger zu kombinieren,<br />
als das in der Vergangenheit zu beobachten war. In den<br />
letzten Jahren fand in der jungen Generation eine Veränderung<br />
der Prioritätensetzung statt. Stand in den<br />
1980er- und 1990er Jahren der Besitz eines Automobils<br />
ganz oben in der Prioritätenskala, so wird in der Generation<br />
der 14- bis 29-Jährigen die größte Bedeutung heute<br />
den IK-Technologien zugeschrieben. Abbildung IV.19<br />
zeigt, dass es jungen Erwachsenen deutlich schwerer fällt,<br />
auf Handy oder Internet zu verzichten als dem Rest der<br />
Bevölkerung. Im Gegenzug kann sich diese Bevölkerungsgruppe<br />
eher vorstellen, ohne einen Pkw auszukommen.<br />
Durch den erweiterten Funktionsumfang und das wachsende<br />
Angebot an Smartphones, Tablet-PC etc. und der<br />
starken Vernetzung im Internet („social networks“) ist<br />
von einer Festigung und Verstärkung dieser Priorisierung<br />
auszugehen. Gerätepreise von 500 bis 800 Euro sowie<br />
weitere kostenpflichtige Dienstleistungen führen dazu,