17/13672 - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>17</strong>. Wahlperiode – 133 – Drucksache <strong>17</strong>/<strong>13672</strong><br />
Positionierung der deutschen Automobil-<br />
industrie<br />
Die deutsche Automobilindustrie profitiert seit Jahren<br />
von ihrer Position als Technologieführer und Premiumhersteller,<br />
welche auch im Image von OEM wie Daimler,<br />
BMW, Audi, Porsche und mittlerweile auch VW fest verankert<br />
ist. Dabei ist heute der Begriff des Premiumherstellers<br />
nicht mehr nur auf die Oberklasse und die obere<br />
Mittelklasse bezogen, sondern kann sich auf alle Segmente<br />
und die in den Segmenten jeweils technologisch<br />
und durch exklusive Ausstattungen führenden Fahrzeuge<br />
beziehen. Damit beanspruchen beispielsweise auch ein<br />
BMW MINI, ein Audi A1 oder ein hochwertig ausgestatteter<br />
VW Golf VI den Status eines Premiumfahrzeugs.<br />
Die Positionierung dieser vier OEM als Technologieführer<br />
und Premiumhersteller gilt es auch in Zukunft in<br />
Deutschland, Europa und global zu behaupten. Vier<br />
Gründe sind hier anzuführen: Erstens sind im Premiumsegment<br />
die größten Margen realisierbar, die die Basis für<br />
die ausgeprägte Innovationskraft durch stabil hohe FuE-<br />
Aufwendungen bilden. Zweitens wächst insbesondere<br />
in den Schwellenländern durch die aufholende ökonomische<br />
Entwicklung die Bevölkerungsschicht mit hohen<br />
und höchsten Einkommen überproportional, sodass auch<br />
der Weltmarkt für Premiumfahrzeuge in den nächsten<br />
Jahren stabiler boomen dürfte als andere Marktsegmente.<br />
Drittens würde sich der internationale Wettbewerb<br />
ohne die Eigenschaften Technologieführer und<br />
Premiumanbieter hin zu einem Preiswettbewerb verlagern,<br />
der für die in Deutschland produzierenden Hersteller<br />
nachteilig sein dürfte. Damit wäre viertens auch<br />
der Exporterfolg der deutschen OEM, die rund drei<br />
Viertel (VDA 2012) der in Deutschland hergestellten<br />
Pkw ausführen, infrage gestellt. Umgekehrt muss mit<br />
drastischen Einbrüchen in der deutschen Automobilindustrie<br />
gerechnet werden, wenn das Image und die Fähigkeit<br />
zum Technologieführer und Premiumhersteller<br />
verloren gehen sollte.<br />
Neue Klein(st)fahrzeugkonzepte<br />
Trotz der Positionierung als Premiumhersteller sollte die<br />
deutsche Automobilindustrie zukünftig ihr Produktportfolio<br />
auch um neue Klein(st)fahrzeugkonzepte ergänzen.<br />
Diese Feststellung gilt vor allem in den untersuchten Szenarien<br />
„Technologiebruch“ und „Mobilitätskonzepte“.<br />
Kleinstfahrzeuge können Elektroroller, Pedelecs aber<br />
auch ein- oder zweisitzige kleine Pkw sein. Vier Gründe<br />
sprechen für die Erweiterung des Produktportfolios um<br />
dieses Segment: Erstens erfordert die fortschreitende Urbanisierung<br />
die Etablierung von kleinen, leichten und<br />
wendigen Stadt- und Regionalfahrzeugen, die neben dem<br />
ÖPNV eine stadtverträgliche Mobilität garantieren können.<br />
Zweitens spielt sich diese Urbanisierung sehr stark<br />
in Schwellenländern ab, in denen auch ein relevanter<br />
Marktanteil durch Einsteiger in die motorisierte Mobilität<br />
mit geringer Kaufkraft gegeben sein wird. Drittens bietet<br />
gerade der Fortschritt der Elektromobilität die Möglichkeit<br />
kleine leichte E-Mobile mit Batterieantrieb im urbanen<br />
Bereich zu etablieren. Der heutige Bestand von<br />
120 Millionen Pedelecs und Elektrorollern in China zeigt<br />
eindrucksvoll die Möglichkeiten solcher Verkehrsmittel<br />
in aufstrebenden Schwellenländern. Viertens ergeben sich<br />
im Falle der Etablierung neuer Mobilitätskonzepte (Schlagworte<br />
„Nutzen statt besitzen“) weitere Chancen innovative<br />
Klein(st)fahrzeuge im Mobilitätsmarkt zu platzieren.<br />
Zentral wird hier sicher die Wettbewerbsfähigkeit auf der<br />
Kostenseite sein. Der beschränkte Erfolg bisheriger Anbieter<br />
(wie z. B. ThinkCity, Sam) mit Fahrzeugpreisen<br />
um die 20 000 Euro zeigt die Notwendigkeit zu drastischen<br />
Kostenreduktionen. Ob die nächste Generation der<br />
Fahrzeuge (wie z. B. Renault Twizy) zu Preisen um die<br />
8 000 Euro bereits eine interessante und marktfähige Alternative<br />
für Privatnutzer darstellt, bleibt abzuwarten. Inwiefern<br />
sich auch ein Premiumsegment bei diesen<br />
Klein(st)fahrzeugen etablieren ließe, ist heute noch unklar<br />
und sollte ggf. in zukünftigen Studien untersucht werden.<br />
Fasst man diese vier Herausforderungen für ein Zwischenfazit<br />
zusammen, ergibt sich ein stabil wachsender<br />
Premiummarkt mit großer Attraktivität für die deutsche<br />
Automobilindustrie sowie das Potenzial für eine neu entstehende<br />
Nachfrage am unteren Ende der heute existierenden<br />
Pkw-Segmente, während in den mittleren Segmenten<br />
ohne avancierte Technologieausstattung sich die<br />
Nachfrage nach Fahrzeugen aus deutscher Produktion<br />
verringern dürfte.<br />
Erschließung der neuen Wachstumsmärkte<br />
Die nächste Herausforderung bzgl. der zukünftigen<br />
Marktentwicklung weist zwei unterschiedliche regionale<br />
Dimensionen auf: In den zukünftigen Wachstumsmärkten<br />
der Verkehrsnachfrage in den BRICS-Ländern gilt es, die<br />
Markterschließung voranzutreiben. Insbesondere China<br />
und Brasilien bieten große Chancen auf zukünftig wachsende<br />
Absatzmärkte mit nennenswertem Marktvolumen.<br />
So könnte sich in China der Absatz an neuen Pkw bis<br />
2030 im Vergleich zu heute mehr als verdreifachen. Hier<br />
sind die deutschen OEM bereits gut positioniert, so etwa<br />
mit Volkswagen nach Marktanteil in der führenden Position<br />
in China und Brasilien sowie mit den klassischen<br />
Premiumherstellern, die große Teile ihrer Produktion aus<br />
Deutschland nach China exportierten (z. B. wurde China<br />
auch für Porsche mittlerweile zum größten und wichtigsten<br />
Einzelmarkt), allerdings weniger stark in Brasilien<br />
und Südamerika auftreten. Das Wachstum wird somit<br />
zukünftig in den BRICS-Ländern stattfinden, während<br />
die Nachfrage in den Triade-Staaten eher stagniert<br />
(Abb. VII.1). Die OEM und die Systemzulieferer sind in<br />
diesen Regionen bereits mit umfangreichen Produktions-<br />
und Entwicklungskapazitäten sehr gut aufgestellt.