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Antragsheft 4 - Die Linke

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Änderungsantrag: PR.186.<br />

Antragstellerinnen: Monika Knoche<br />

(ehem.MdB und stellv.<br />

Fraktionsvorsitzende, KV Karlsruhe,<br />

Mitglied im Landesvorstand BaWü), Sevim<br />

Dagdelen, MdB (Sprecherin für<br />

internationale Beziehungen, KV Bochum)<br />

Nele Hirsch (ehem. MdB, Mitglied im<br />

Parteivorstand), Heike Hänsel, MdB<br />

(Sprecherin für<br />

Entwicklungszusammenarbeit, KV<br />

Tübingen)<br />

Änderungsantrag zum<br />

Leitantrag des Parteivorstandes zum Programm<br />

an die 2. Tagung des 2. Parteitages der Partei<br />

DIE LINKE, 21. bis 23. Oktober 2011 in Erfurt<br />

Der Parteitag möge beschließen:<br />

Thema: Europapolitik<br />

AH 1, S. 7, Zeile 161/162<br />

AH 1, S. 38, Zeile 2409/2410<br />

Streichung:“europäische Wirtschaftsregierung“<br />

Begründung: <strong>Die</strong> Forderung nach einer Europäischen<br />

Wirtschaftsregierung ist mit der verfassungspolitischen<br />

Position, die <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong> bei Ihrer Klage vor dem<br />

Bundesverfassungsgericht zum Vertrag von Lissabon im<br />

Jahr 2009 eingenommen hat, nicht zu vereinbaren. Das<br />

Gericht hat in seiner Entscheidung verdeutlicht, dass die<br />

Abgabe von Souveränitätsrechten zwingend eine<br />

Änderung des Grundgesetzes und eine Volksabstimmung<br />

voraussetzen. Ebenfalls ist seither unumstößlich, dass<br />

der Lissabon-Vertrag nicht als eine Verfassung<br />

verstanden werden kann, die Supranationalisierung-<br />

Vereinigte Staaten von Europa- zulassen würde. Um eine<br />

so weitreichende Kompetenz aus der Kontrolle und<br />

Gestaltung des Deutschen Bundestages zu verlagern und<br />

neu zu institutionalisieren, wie das für eine europäische<br />

Wirtschaftsregierung notwendig wäre, müsste dem ein<br />

gänzlich neuer Verfassungskonvent und<br />

Volksentscheidungen in den Mitgliedsstaaten<br />

vorausgehen. <strong>Die</strong> staatsrechtlichen und<br />

demokratiepolitischen Konsequenzen einer<br />

Zentralisierung von Regierungsmacht auf eine neu zu<br />

schaffende supranationale Ebene geht denn auch weit<br />

über eine Koordinierung von Maßnahmen, wie sie heute<br />

bei politischem Wollen bereits auf der EU-<br />

Kommissionsebene möglich sind, hinaus.<br />

<strong>Die</strong> Rolle des EU-Parlamentes müsste neu definiert<br />

werden. Ratifizierungsprozesse in allen Mitgliedsstaaten<br />

müssten auf eine, allen EU-BürgerInnen zugängliche<br />

Partizipationsmöglichkeit folgen. Kurz, es wäre ein<br />

gigantisches demokratiepolitisches Unterfangen. Eine<br />

Garantie dafür, dass damit die neoliberale Ausrichtung<br />

34<br />

der Wirtschafts-und Währungspolitik überwunden werden<br />

könnte, gibt es jedoch nicht. Reine Spekulation ist es<br />

auch, dass eine Zentralisierung von den BürgerInnen der<br />

EU positiv bewertet werden würde.<br />

Über die europäischen Institutionen zu diskutieren, ist<br />

dennoch nicht entbehrlich. Doch liegt in der Forderung<br />

nach neuen Institutionen nicht auch schon die politische<br />

Lösung für die Abkehr vom neoliberalen<br />

Wettbewerbsmodell, das aus der derzeitigen Politik der<br />

EU resultiert. <strong>Die</strong> Orientierung auf ökologisch und<br />

sozialpolitisch nicht konditioniertes Wachstum, die dem<br />

Vertrag von Lissabon zugrunde liegt, sowie die Maastricht<br />

-Kriterien für den €-Wirtschaftsraum sind auf<br />

Entstaatlichung der Daseinsvorsorge, Abbau von<br />

ArbeitnehmerInnenrechten und Zurückdrängen der<br />

Sozialstandards gerichtet. Ohne diese<br />

Rahmenbedingungen geändert zu haben, ist die<br />

Forderung nach noch mehr Zentralisierung und weniger<br />

demokratischer Beteiligung der nationalen Parlamente,<br />

kontraproduktiv. Mehr Optionen für eine andere<br />

Wirtschaftspolitik sind eher über starke soziale<br />

Bewegungen und emanzipatorische und solidarische<br />

Prozesse zu erreichen, an denen die nationalen<br />

Regierungen nicht mehr vorbeikommen, als über<br />

Zentralisierungsoptionen.<br />

Auch die Europäische Linkspartei lehnt eine<br />

zentralistische Neuausrichtung hin zu vereinigten Staaten<br />

von Europa ab. So stellt sich die Forderung nach einer<br />

Europäischen Wirtschaftsregierung- wie sie bereits vor<br />

dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2009 im<br />

Europa-Wahlprogramm unserer Partei enthalten war, in<br />

vielerlei Hinsicht als zwingend begründungsbedürftig dar.<br />

Vor allem müsste dargelegt werden, was durch die<br />

heutigen EU-Institutionen im Sinne linker Politik nicht<br />

erreicht werden kann, also nur über eine<br />

Grundgesetzänderung und eine neue EU-Verfassung<br />

erreicht werden könnte und der politische Gewinn den<br />

Verlust nationaler Souveränität rechtfertigen würde. Eine<br />

repräsentative Demokratie mit Parlamentsvorbehalt, wie<br />

das in Deutschland dank unserer eigenen<br />

Verfassungsklage für Europafragen noch einmal bestätigt<br />

wurde, stellt im Gegensatz zu den meisten<br />

Mitgliedsstaaten der EU eine demokratische<br />

Errungenschaft dar, die sich nicht ohne weiteres auf alle<br />

anderen Mitgliedsstaaten erweitern ließe, wenn es zu<br />

einer neuen EU-Verfassung käme. So ist davon<br />

auszugehen, dass bei einer Institutionalisierung der neu<br />

zu schaffenden Europäischen Wirtschaftsregierung<br />

erhebliche demokratische und partizipatorische<br />

Errungenschaften verloren gingen. Auch liegt den Euro-<br />

Stabilitätskriterien ein eindeutig neoliberales Verständnis<br />

von Entstaatlichung, und weltweit führender<br />

Wettbewerbsfähigkeit zugrunde, das den Abbau von<br />

ArbeitsnehmerInnenrechten, Senkung der<br />

Sozialstandards und Privatisierungen im Bereich der<br />

Daseinsvorsorge zum Bestandteil des Wachstumsmotors<br />

erklärt.<br />

<strong>Die</strong> aktuelle Diskussion um die Währungsstabilität und<br />

der erforderlichen Maßnahmen zur Überwindung der<br />

Krise, die auf der Spekulation gegen den Euro beruhen,<br />

sind mit einem Verbot solcher Profitschöpfung zu<br />

beantworten, nicht jedoch mit einer Zentralisierung von<br />

politischer Entscheidungsmacht, die sich auf die<br />

Realwirtschaften in den Mitgliedsstaaten richtet. Hier

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