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Vechtaer fachdidaktische Forschungen und Berichte, Heft 16.

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die Lehrkräfte. Sie stehen in dieser Hinsicht also nicht außerhalb<br />

des Geschehens oder "über" den Schülern <strong>und</strong> Schülerinnen. Sie<br />

mögen mehr Erfahrung, Wissen <strong>und</strong> Können haben, mehr im<br />

Vorhinein über den Ablauf der St<strong>und</strong>e wissen, aber auch sie sind<br />

Bestandteil einer alltäglichen Praxis.<br />

Habitus<br />

Mit Habitus bezeichnet Bourdieu (1999, 98/99) eine dauerhafte<br />

Disposition, die Wahrnehmen, Denken <strong>und</strong> Handeln in einer<br />

sozialen Praxis leitet <strong>und</strong> zugleich eben diese Praxis<br />

hervorbringt. Zwar setzt der Habitus bestimmte Grenzen oder<br />

schränkt die Möglichkeiten des Handelns ein, aber innerhalb<br />

dieser Grenzen sind unendliche Variationen möglich. Insofern<br />

ähnelt der Habitus der Sprache: Hat man erst Grammatik <strong>und</strong><br />

Wortschatz erworben, so kann man unendlich viele Sätze<br />

erzeugen; Sinn ergeben allerdings nur solche, die innerhalb der<br />

Sprachregeln liegen. "Unsinnig" erscheinende Praktiken werden<br />

daher ohne genauere Prüfung verworfen, wenn sie mit dem<br />

Habitus unvereinbar sind. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen<br />

Experimenten werden dabei die ersten Erfahrungen viel zu hoch<br />

gewichtet, so dass spätere Erfahrungen nur schwerlich den<br />

Habitus beeinflussen können (vgl. Bourdieu 1999, 101).<br />

Der Habitus entstehe durch eine Art "stiller Pädagogik" (ebd.<br />

128), indem so unscheinbare Imperative zu scheinbar<br />

unbedeutenden Einzelheiten der Haltung (wie etwa "Halte dich<br />

gerade!") dem kulturell Willkürlichen zur Geltung verhelfen. Für<br />

das Individuum heißt das, dass der Habitus eine zur Tugend<br />

gemachte Not <strong>und</strong> vergessene Geschichte ist, die weitgehend dem<br />

Bewusstsein <strong>und</strong> der Erklärung entzogen ist. "Was der Leib<br />

gelernt hat, das besitzt man nicht wie ein wiederbetrachtbares<br />

Wissen, sondern das ist man" (Bourdieu 1999, 135).'So werden<br />

die gr<strong>und</strong>legenden Strukturen einer gesellschaftlichen Gruppe in<br />

den Leib eingeschrieben (ebd.132).<br />

Für die Sportpädagogik <strong>und</strong> die Frage der Koedukation hat das<br />

Habituskonzept eine hohe Bedeutung, weil der Leib als wesentlicher<br />

"Träger" des Habitus in den Blick gerät. Einerseits kann<br />

man daraus folgern, dass gerade der Sportunterricht gute<br />

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