MARKT UND MANAGEMENTTHEMA DES MONATSWenn <strong>de</strong>r Treppenaushang an seine Grenzen kommtDie Quartiershomepageals neues KommunikationsinstrumentDie Baugenossenschaft freier Gewerkschafter in Hamburg hat zwei Quartiershomepages entwickelt,die gemeinsam mit <strong>de</strong>n Bewohnern und Kooperationspartnern gefüllt wer<strong>de</strong>n. Damit hat sie einenWeg gefun<strong>de</strong>n, die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Quartier schnell und umfassend zu informieren, und erfüllt auch<strong>de</strong>ren Erwartung nach mehr Beteiligung. Noch haben Quartiershomepages, die von Genossenschafteneingerichtet wer<strong>de</strong>n, Seltenheitswert. Doch es ist zu erwarten, dass sie langfristig zum Standard gehörenund sich neben <strong>de</strong>n bekannten Mieterzeitungen und Treppenaushängen etablieren wer<strong>de</strong>n.Vicky GumprechtLeitung SozialmanagementBGFG, HamburgDie bei<strong>de</strong>n Quartiershomepages <strong>de</strong>r Baugenossenschaftfreier Gewerkschafter in Hamburg (BGFG)sind Teil <strong>de</strong>r BGFG- Strategie in <strong>de</strong>r Quartiersentwicklungund sollen einen neuen Weg <strong>de</strong>r Nachbarschaftskommunikationeröffnen. Die 1922gegrün<strong>de</strong>te Wohnungsbaugenossenschaft zähltmit rund 7.500 Wohnungen zu <strong>de</strong>n größerenWohnungsgenossenschaften in Hamburg. Sie hatihren Wohnungsbestand in sozial unterschiedlichstrukturierten Quartieren. Für zwei Viertel, <strong>im</strong>Osterbrookviertel <strong>im</strong> „Arbeiterstadtteil“ Hamm-Süd und <strong>im</strong> eher bürgerlichen Stadtteil Niendorf,hat die BGFG eigene Quartiershomepageseingerichtet(www.elbschloss-an-<strong>de</strong>r-bille.<strong>de</strong> undwww.niendorfer-nachbarn.<strong>de</strong>).Über diese Homepages kommuniziert die BGFG,gemeinsam mit etlichen Institutionen, nicht nurmit ihren Mitglie<strong>de</strong>rn, son<strong>de</strong>rn auch mit <strong>de</strong>n Bewohnern<strong>de</strong>r Viertel. Die Akteure und Bewohneraus <strong>de</strong>m Quartier bringen sich wie<strong>de</strong>rum in dieRedaktionsgruppe ein, teils mit eigenen Beiträgen.Diese neue Form <strong>de</strong>r Kommunikation ist für dieBGFG ein Bestandteil <strong>de</strong>r genossenschaftlichenMitglie<strong>de</strong>rför<strong>de</strong>rung. Sie ist dazu eine weitereMöglichkeit, gezielt das ehrenamtliche Engagementzu stützen. Elf Nachbarschaftstreffs betreibtdie BGFG insgesamt, rund 130 Freiwillige enga-Bärbel Wegnerfreie JournalistinHamburggieren sich in <strong>de</strong>n zum Teil entwicklungsbedürftigenQuartieren. 2.260 Veranstaltungen fan<strong>de</strong>nin diesem Rahmen 20<strong>12</strong> statt.Entstehung und FinanzierungMit <strong>de</strong>r Frage, wie man sein Angebot für die Menschen<strong>im</strong> Quartier am besten darstellen kann, hatsich nicht nur die BGFG beschäftigt. So hat dieRheinisch-Westfälische Technische HochschuleAachen vor Jahren erste Mo<strong>de</strong>lle für Quartiershomepagesentwickelt, an <strong>de</strong>nen die BGFGsich orientiert hat. Anfangs gab es auch technischeUnterstützung seitens <strong>de</strong>r Hochschule, inzwischenbetreuen Mitarbeiterinnen <strong>de</strong>s Sozialmanagementsdie Seiten.Wie funktionieren diese neuen Plattformen? Dieaktuellen Inhalte <strong>de</strong>r Homepages wer<strong>de</strong>n einmal<strong>im</strong> Monat von einem Redaktionsteam zusammengestellt,zu <strong>de</strong>m neben BGFG-Mitarbeitern undQuartiersbewohnern auch Vertreter von sozialenEinrichtungen, Schulen und Projekten gehören.Letztere nutzen dieses neue Medium bislang füreigene Beiträge allerdings noch sehr spärlich.Neben Veranstaltungshinweisen und Informationenüber Aktivitäten <strong>im</strong> Quartier bieten die Seiten <strong>de</strong>nMitglie<strong>de</strong>rn die Möglichkeit, geschlossene Gruppenzu bil<strong>de</strong>n. So kommuniziert in Niendorf eine Gartengruppe,die sich über die Quartiershomepagegefun<strong>de</strong>n hat, per E-Mail und nutzt die Veranstaltungshinweise.Auf einer Fotoseite wer<strong>de</strong>n Veranstaltungenund Feste dokumentiert. Hier könnenMitglie<strong>de</strong>r auch eigene Fotos posten.An<strong>de</strong>rs als erwartet, wer<strong>de</strong>n Kommentarfunktionen,Foren sowie Kontakt-und Tauschbörsenkaum genutzt. Auch zeigt sich, dass diese Rubrikeneinen beson<strong>de</strong>ren Arbeitsaufwand erfor<strong>de</strong>rnund sorgfältig kontrolliert wer<strong>de</strong>n müssen, damitBeiträge mit obskuren Inhalten sofort gelöschtwer<strong>de</strong>n können.Die Seiten la<strong>de</strong>n ausdrücklich zum Mitmachen ein,sowohl bei <strong>de</strong>r Redaktion als auch mit eigenen redaktionellenBeiträgen. Die Möglichkeiten, solcheBeiträge zu redigieren, was in <strong>de</strong>r Regel notwendigist, o<strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r und Filme nachträglich zu bearbeiten,sind aus Kostengrün<strong>de</strong>n allerdings begrenzt.An<strong>de</strong>rerseits dürfen solche Beiträge auch nicht zuperfekt sein, da die Bewohner sich hier wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>nsollen. Eine Gratwan<strong>de</strong>rung, die Fingerspitzengefühlerfor<strong>de</strong>rt. Notwendig, so die Erfahrung,ist eine klare Leitung <strong>de</strong>r Redaktion. Die ProjektleiterinVicky Gumprecht hat die Redaktionsleitungund trägt die Presseverantwortung.Für <strong>de</strong>n Betrieb <strong>de</strong>r ersten Quartiershomepage fürdas Osterbrookviertel (www.elbschloss-an-<strong>de</strong>rbille.<strong>de</strong>)erhielt die BGFG öffentliche För<strong>de</strong>rmittel.Heute liegt <strong>de</strong>r Aufwand für die Betreuung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>nHomepages bei etwa 15 bis 20 Arbeitsstun<strong>de</strong>n<strong>im</strong> Monat. Die Zugriffe auf die Homepages erhöhensich regelmäßig nach größeren Veranstaltungen.Ansonsten liegen sie stabil <strong>im</strong> zweistelligenBereich. Auch wenn die BGFG sich mehr Zugriffe56 <strong>12</strong> | <strong>2013</strong>
wünscht, ist sie doch zufrie<strong>de</strong>n und betrachtet die und vielen Ehrenamtlichen getragen. Bei diesemQuartiershomepages als geeignetes Mittel für <strong>de</strong>n mittlerweile mehrfach ausgezeichneten ProjektEinstieg in die Kommunikation mit jüngeren Leuten,<strong>de</strong>nen das Internet vertraut ist. Noch stecken Städtebau <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s) war die Einbindung <strong>de</strong>r<strong>de</strong>s ExWoSt (Exper<strong>im</strong>enteller Wohnungs- unddie Quartiershomepages in ihren Kin<strong>de</strong>rschuhen, Bewohner von Beginn an starkes Merkmal. Dasdoch sie sind in je<strong>de</strong>r Hinsicht ausbaufähig. sollte auch nach außen <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n. Da dasHaus von Anfang an, das gilt bis heute, nicht nurDie Homepage <strong>de</strong>s Osterbrookviertels<strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Genossenschaft, son<strong>de</strong>rn allenQuartiersbewohnern offenstand, musste einDie Quartiershomepage <strong>im</strong> Osterbrookviertel wur<strong>de</strong>bereits 2009 eingerichtet. Das Osterbrookviertel,einst ein isoliertes, von Gewerbe umgebenes chen. Die Mitglie<strong>de</strong>rzeitschrift und Aushänge <strong>im</strong>Weg gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, auch diese medial zu errei-Quartier mit Nachkriegsarchitektur, wur<strong>de</strong> von Treppenhaus reichten nicht aus. Doch wie bringt<strong>de</strong>r BGFG durch innovative Neubauten am Wasser man ein so vielschichtiges Projekt in die Öffentlichkeitund begeistert zugleich die Bewohner <strong>de</strong>sund eine nachhaltige Quartiersentwicklung aufgewertetund mit einer neuen I<strong>de</strong>ntität versehen. Viertels zum Mitmachen? Ein eigener Auftritt <strong>im</strong>Neuer kultureller Mittelpunkt <strong>de</strong>s Viertels ist das Internet war die schlüssige Antwort. Und das Projekthat Erfolg: Bewohner beteiligen sich, Akteureals Mehrgenerationenhaus gegrün<strong>de</strong>te heutigeNachbarschaftszentrum, „Elbschloss an <strong>de</strong>r Bille“, <strong>im</strong> Haupt- und Nebenamt begegnen sich in <strong>de</strong>ndas <strong>de</strong>r Homepage ihren Namen gegeben hat. Seit Redaktionssitzungen – auf Augenhöhe, <strong>de</strong>nn auch2007 wird das Elbschloss unter <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>r die Institutionen wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r UnterstützungBGFG von einer Kooperation von Stadtteilakteuren von Freiwilligen repräsentiert.DAS ELBSCHLOSS AN DER BILLE IM INTERNETHomepage Niendorfer NachbarnIm Herbst 20<strong>12</strong> ging eine zweite Quartiershomepage<strong>im</strong> Stadtteil Niendorf ans Netz. Zuvor wardie I<strong>de</strong>e auf einer gut besuchten Informationsveranstaltungvorgestellt wor<strong>de</strong>n. Aufgrund<strong>de</strong>r Erfahrungen, die man mit <strong>de</strong>r Homepage<strong>im</strong> Osterbrookviertel gemacht hatte, wur<strong>de</strong> dasursprünglich große Angebot an Rubriken hierreduziert – auch wenn die bei<strong>de</strong>n Stadtteile inihrer sozialen Struktur nur schwer miteinan<strong>de</strong>rzu vergleichen sind.Rund 30 Teilnehmer, darunter Vertreter von Institutionenebenso wie Stadtteilbewohner, ließensich Aussehen und Struktur <strong>de</strong>r Seite sowie die„Arbeitsbedingungen“ <strong>de</strong>s Projektes erklären.Beson<strong>de</strong>rheit: Die Teilnehmer <strong>de</strong>r Veranstaltungkonnten sich in die Gestaltung <strong>de</strong>r Webseite einbringen.Im Stadtteil Niendorf waren bereits vorEinrichtung <strong>de</strong>r Quartiershomepage viele Ehrenamtlicheaktiv. Schnell fan<strong>de</strong>n sich <strong>12</strong> „Homepager“,die mittun wollten. Auch hier sitzenhaupt- und ehrenamtliche Kräfte gemeinsam amTisch.Die Redaktionsrun<strong>de</strong> wirft alle Vorschläge in einenTopf. Je konkreter, <strong>de</strong>sto besser. Dazu zählen Informationenüber die Rückkehr <strong>de</strong>r Krähen ebensowie die Sommerpause <strong>de</strong>r Elternberatung. WolfgangSchwarz, 80 Jahre alt und Bewohner <strong>de</strong>r erstenStun<strong>de</strong> <strong>im</strong> Niendorfer Wohnquartier <strong>de</strong>r BGFG,schreibt regelmäßig Beiträge und fin<strong>de</strong>t, dass esgut funktioniere mit <strong>de</strong>r Quartiershomepage. Sieseien zwar keine Profis in <strong>de</strong>r Redaktion, aber dieTreffen verliefen gut: „Wir trinken nicht nur Kaffee,wir versuchen, die Sache voranzubringen.“ Erhofft, dass auch die jüngeren Leute, die nach undnach in das Quartier ziehen, sich die Homepageanschauen.Was fin<strong>de</strong>t statt in Ihrer Nachbarschaft? Welche Aktionen starten in nächster Zeit, an <strong>de</strong>nenman sich beteiligen kann? Gibt es Informationsveranstaltungen, die einen interessieren? Auf<strong>de</strong>r Homepage für das Osterbrookviertel kann sich je<strong>de</strong>r über Angebote <strong>de</strong>r Elbschloss-Kooperationspartnerinformieren.Die Partner sind: BGFG, Alida Schmidt-Stiftung, AWO, Dankeskirche, Vereinigung HamburgerKin<strong>de</strong>rtagesstätten, Elisabeth-Kleber-Stiftung und AQtivus. Die gesamten Angebote <strong>im</strong> Elbschlossund in <strong>de</strong>r Umgebung fin<strong>de</strong>t man links in <strong>de</strong>r Navigation unter Regelmäßiges von A-Zsowie rechts <strong>im</strong> Terminkalen<strong>de</strong>r.Und wer noch eine schöne I<strong>de</strong>e hat und sich vielleicht sogar ehrenamtlich engagieren möchte,kann sich gerne mit Angeboten o<strong>de</strong>r Anregungen an das Redaktionsteam und die Kooperationspartnerwen<strong>de</strong>n. Dieses Angebot gilt selbstverständlich auch für Bewohner <strong>de</strong>s Quartiers, dienicht Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Genossenschaft sind.Litfaßsäule o<strong>de</strong>r News?Die Quartiershomepage hat nun bei <strong>de</strong>r BGFG alseines von mehreren Instrumenten <strong>de</strong>r Kommunikationeinen festen Platz. Sie ist zeitgemäß, aber<strong>de</strong>r Erfolg ist abhängig von <strong>de</strong>n Personen, die sicheinbringen, von <strong>de</strong>n aktuellen Themen und <strong>de</strong>nGegebenheiten vor Ort. Wie zuvor bei <strong>de</strong>r Entwicklung<strong>de</strong>r Nachbarschaftstreffs fragten sichdie Mitarbeiter <strong>de</strong>r BGFG, was die Menschen vorOrt benötigen.Dazu Vorstandsmitglied Ingo Theel: „In diesemFall lautete die Frage zugespitzt: Litfaßsäuleo<strong>de</strong>r News <strong>im</strong> Internet? Wir möchten Menschenunterstützen, in ihrer Nachbarschaft zusammenzukommenund gemeinsam etwas zu bewegen. DieQuartiershomepage steht zwar <strong>im</strong> Netz. Aber siebringt Menschen in <strong>de</strong>r Redaktion zusammen undberichtet über Ereignisse aus <strong>de</strong>r Nachbarschaft.Nicht bei Facebook, son<strong>de</strong>rn Face to Face.”<strong>12</strong> | <strong>2013</strong>57