MARKT UND MANAGEMENTDen Ausschlag für diese Entscheidung und das 480Millionen-Euro-Investment hatte die miserableBetriebskosten-Ausgangslage gegeben. Die „2.Miete“ war vor Beginn <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rnisierung teilweisehöher als die erste, die Bewohner konnten sichihre Wohnung kaum noch leisten, manche verließendas Viertel gleich ganz. Mit <strong>de</strong>r energetischen Mo<strong>de</strong>rnisierungän<strong>de</strong>rte sich dies: Die Betriebskostenhalbierten sich und trotz Mo<strong>de</strong>rnisierungsumlagestiegen die Warmmieten <strong>im</strong> Viertel nur min<strong>im</strong>al,Warmmietenneutralität wur<strong>de</strong> hier möglich. Beiannähernd gleicher Miete wie zuvor haben die meistenBewohner <strong>de</strong>s Märkischen Viertels heute bereitsein komfortables, energiesparen<strong>de</strong>s Zuhause. Und<strong>de</strong>r oben erwähnte Energiespar-Check unterstütztdie Mieter über das Bauliche hinaus bei <strong>de</strong>r Überwindungeingeschliffener Alltagsgewohnheiten <strong>im</strong>Sinne <strong>de</strong>r Energieeffizienz.Bei <strong>de</strong>r Produktentwicklung wie<strong>de</strong>rum spielt nichtnur die Zukunftssicherung durch niedrige Betriebskostenund geringen Energieverbrauch einetragen<strong>de</strong> Rolle. Auch <strong>de</strong>m <strong>de</strong>mografischen Wan<strong>de</strong>lwird Rechnung getragen, in<strong>de</strong>m viele Wohnungenbarrierearm ausgestattet wer<strong>de</strong>n, etwa durch <strong>de</strong>nEinbau bo<strong>de</strong>ngleicher Duschen und die Absenkungvon Schwellen. Mit <strong>de</strong>r Millionen-Investition inslange Zeit als bereits abgeschrieben gelten<strong>de</strong> MärkischeViertel beobachtet die GESOBAU bei <strong>de</strong>rNeuvermietung – die <strong>im</strong> mo<strong>de</strong>rnisierten Produktrasant verläuft – eine Verbesserung <strong>de</strong>r Mieterstrukturhinsichtlich Selbstzahleranteil, Altersmixund nachbarschaftlichem Involvement <strong>de</strong>rBewohner. Auch <strong>de</strong>r höhere Kaltmietenanteil an<strong>de</strong>r Gesamtmiete finanziert die Mo<strong>de</strong>rnisierungsicher und sorgt langfristig für die Wirtschaftlichkeit<strong>de</strong>s Projekts.Mitarbeiter – wichtige D<strong>im</strong>ensionunternehmerischer NachhaltigkeitFür die unternehmerische Nachhaltigkeit istjedoch auch <strong>de</strong>r Blick ins Unternehmen selbstEnergiespar-Scoutshelfen Mietern be<strong>im</strong>Energiesparenessenziell. Denn in <strong>de</strong>r Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehunggeht es nicht allein um sozial-ökonomischeThemen wie etwa Chancengleichheit,faire Bezahlung o<strong>de</strong>r betriebsrätliche Vertretung.Vielmehr geht es um die altern<strong>de</strong> Gesellschaft, <strong>de</strong>ndrohen<strong>de</strong>n Fachkräftemangel und die Gesun<strong>de</strong>rhaltung<strong>im</strong> Beruf. Und dies ist nur ein AusschnittNACHHALTIGKEIT BEI DER GESOBAU<strong>de</strong>r Zukunftsthemen, für die heute die Weichenrichtig gestellt wer<strong>de</strong>n müssen. Hier sind Managermit Weitsicht gefor<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>ren Horizontüber <strong>de</strong>n nächsten Quartals- und Jahresberichthinausreicht.Die bestandshalten<strong>de</strong> Wohnungswirtschaft mitihren langfristigen Investments und Engagementshat ein zutiefst nachhaltiges Geschäftsmo<strong>de</strong>ll –auch wenn sie <strong>de</strong>n Begriff „nachhaltig“ gera<strong>de</strong>erst für sich ent<strong>de</strong>ckt und hier noch <strong>im</strong>menseHandlungspotenziale ruhen. Welche Baustoffesetzen wir ein? Gibt es ein energieeffizientesBeleuchtungskonzept für Geschäftsräume undWohnhäuser? Existiert ein Gleichbehandlungsgrundsatzfür potenzielle Auftragnehmer in Ausschreibungsprozessen?Und nicht zuletzt: Wirddas Produkt Wohnung so gepflegt und entwickelt,dass es für Mieter auch in Zukunft attraktiv ist undangenommen wird? Die Fragen, die man sich alsWohnungsunternehmen hinsichtlich seiner nachhaltigenEntwicklung und Geschäftsausrichtungstellen kann, sind vielfältig und berühren praktischalle Handlungsfel<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Kerngeschäft.Nicht drei Seiten o<strong>de</strong>r vier Säulen,son<strong>de</strong>rn fünf D<strong>im</strong>ensionen, die einan<strong>de</strong>r bedingenDie GESOBAU hat die Fel<strong>de</strong>r Ökonomie, Ökologie, Gesellschaft, Mitarbeiter und natürlich dasUnternehmen selbst als relevante D<strong>im</strong>ensionen nachhaltigen unternehmerischen Han<strong>de</strong>lnsausgemacht. Die Nachhaltigkeitsstrategie steuert die ausgewogene Balance dieser D<strong>im</strong>ensionen<strong>im</strong> Tagesgeschäft und bei strategischen Richtungsentscheidungen.Die Folge sind beispielsweise energetische Komplettmo<strong>de</strong>rnisierungen statt Pinselsanierungund Wandmalereien. Die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>r altern<strong>de</strong>n Gesellschaft ist kein „nice-tohave“und hat mit „Gedöns“ weniger zu tun als mit einer marktgerechten Produktentwicklung.So lässt sich das städtische Wohnungsunternehmen barrierearm umgebaute Wohnungen als„Komfort 50+“ vom TÜV zertifizieren. Im Märkischen Viertel testet sie die Umsetzung <strong>de</strong>s sogenannten Bielefel<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>lls unter <strong>de</strong>m Motto „Zuhause – gewohnt sicher“ und schafft so einServiceangebot für ältere Bewohner.Auch digitale Geschäftsprozesse wer<strong>de</strong>n vorangetrieben: So können Mieter Reparaturmeldungenund an<strong>de</strong>re Serviceaufträge mit <strong>de</strong>m Online-Mieterservice selbst online o<strong>de</strong>r perApp aufgeben. Dies dient nicht nur <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>norientierung und somit <strong>de</strong>r Wirtschaftlichkeit.Vielmehr sichert technologische Innovation auch in <strong>de</strong>r Belegschaft und bei Dienstleistern einhochaktuelles Fachwissen, mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Herausfor<strong>de</strong>rungen von morgen bereits heute besserbegegnet wer<strong>de</strong>n kann. Hierzu zählen auch verschie<strong>de</strong>nste Pilotprojekte, etwa zum Einsatzvon Smart Metern, intelligenter Haustechnik o<strong>de</strong>r Elektromobilität. Im Rahmen <strong>de</strong>s alternativenMobilitätskonzepts wur<strong>de</strong>n 20<strong>12</strong> zwei C-Zeros als Firmenpoolfahrzeuge angeschafft, dievon vielen Mitarbeitern für kurze Wege genutzt wer<strong>de</strong>n.Über die verschie<strong>de</strong>nen Ausprägungen nachhaltigen Han<strong>de</strong>lns gibt die GESOBAU seit 2011jährlich in einem Nachhaltigkeitsbericht Auskunft. Zu<strong>de</strong>m lässt sich das Wohnungsunternehmenin einem sehr aufwändigen Prozess seinen tatsächlichen Wirkungsgrad nachhaltigenHan<strong>de</strong>lns seit 2010 testieren: durch einen Carbon Footprint, <strong>de</strong>n CO 2 -Fußabdruck. Dieser missttatsächliche Verbrauchsdaten <strong>de</strong>r Verwaltung sowie <strong>de</strong>r Bewirtschaftung <strong>de</strong>r Immobilien <strong>im</strong>Märkischen Viertel. Und hier sind Jahr für Jahr <strong>de</strong>utliche Erfolge zu verzeichnen.Weitere Informationen:www.gesobau.<strong>de</strong>74 <strong>12</strong> | <strong>2013</strong>
Interview mit Kirsten Huthmann„Nachhaltigkeit ist die Grundlageje<strong>de</strong>r Entscheidung, die Mitarbeitertäglich treffen”Quelle: GESOBAUKirsten Huthmann leitet die Unternehmenskommunikation <strong>de</strong>r GESOBAU AG und ist auch ihre Nachhaltigkeitsbeauftragte.Mithilfe einer bereichsübergreifen<strong>de</strong>n Arbeitsgruppe von Nachhaltigkeits-Multiplikatorenaus allen Abteilungen erarbeitet sie zurzeit <strong>de</strong>n 3. Nachhaltigkeitsbericht <strong>de</strong>r GESOBAU.Die GESOBAU hat 2011 <strong>de</strong>n ersten Nachhaltigkeitsberichtpubliziert und ist damit bisheute eines <strong>de</strong>r wenigen Unternehmen <strong>de</strong>rBranche, die sich <strong>de</strong>m stellen. Wie kam esdamals dazu?Für uns waren die Erarbeitung von zwei Wettbewerbsbeiträgenund insbeson<strong>de</strong>re natürlich diedann erfolgten Auszeichnungen die Initialzündung.Das waren 2010 zuerst <strong>de</strong>r DW-Zukunftspreis<strong>de</strong>r Immobilienwirtschaft zum ThemaNachhaltigkeit und wenige Monate später <strong>de</strong>rDeutsche Nachhaltigkeitspreis, bei <strong>de</strong>m wir alserstes Immobilienunternehmen überhaupt für diegesamte Unternehmenstätigkeit in ökonomischer,ökologischer und sozialer Hinsicht ausgezeichnetwur<strong>de</strong>n. Wettbewerbe wie diese, ob nun brancheninterno<strong>de</strong>r -übergreifend, sind essenziell für dieArbeit von Unternehmen. Sie dienen <strong>de</strong>r Standortüberprüfung.Und sie zwingen die han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>nAkteure in <strong>de</strong>n teilnehmen<strong>de</strong>n Unternehmen, sichabseits <strong>de</strong>s Tagesgeschäfts und von politischerGemengelage strategisch mit sich selbst zu beschäftigenund alles zusammenzutragen, was dieWettbewerbsthese stützt. Ich gehe mal davon aus,dass einige Unternehmen bei diesem Prozess davonüberrascht wer<strong>de</strong>n, wie viel sie auf einem best<strong>im</strong>mtenGebiet bereits leisten. Für die GESOBAUist es das Thema Nachhaltigkeit.Wie ist nachhaltiges Han<strong>de</strong>ln in die Unternehmenstätigkeitintegriert?Wir haben das Thema von <strong>de</strong>r Vorstandsebene biszu je<strong>de</strong>m Mitarbeiter und in alle Arbeitsbereichedurch<strong>de</strong>kliniert. „Nachhaltigkeit“ ist direkt be<strong>im</strong>Vorstand angesie<strong>de</strong>lt. Nachhaltigkeit ist nichtetwa Bestandteil <strong>de</strong>r Unternehmensstrategie,son<strong>de</strong>rn sie bil<strong>de</strong>t die gesamte Unternehmensstrategie,unseren Wertekanon. Daraus lassen sichalle nötigen Einzelmaßnahmen unseres Kerngeschäftsableiten. Das Strategiegerüst hilft auchje<strong>de</strong>m einzelnen Mitarbeiter dabei, Entscheidungenzu treffen. Und zwar bei scheinbar banalenAnlässen, die uns täglich überfluten: Wie soll sichdas Mittagessen zusammensetzen, das bei einemMeeting serviert wird? Wird <strong>de</strong>r Fußball, <strong>de</strong>n wirals Werbeartikel produzieren wollen, unter fairenBedingungen hergestellt?Die GESOBAU setzt in allen AbteilungenNachhaltigkeitsbeauftragte ein. Was ist<strong>de</strong>ren Funktion?Gewachsen ist dieses Amt aus <strong>de</strong>r Mitarbeit <strong>de</strong>rKollegen in unserer Arbeitsgruppe zur Erstellung<strong>de</strong>s ersten Nachhaltigkeitsberichts <strong>de</strong>r GESOBAU.Ich brauchte hier verlässliche und in <strong>de</strong>r Sachebeherzte Menschen, die mir Zahlen und Faktenund insbeson<strong>de</strong>re auch berichtenswerten Stoffaus ihren Abteilungen zuliefern konnten. Undnatürlich haben wir die Themen, die Messdatenund die Aussagekraft von einzelnen Zahlen undWerten auch in <strong>de</strong>r Gruppe diskutiert. Die Nachhaltigkeits-Multiplikatoren,wie ich sie nenne,haben die Themen auch mit in ihre Teams und Abteilungengenommen und dort weiterdiskutiert.Die Erkenntnisse flossen wie<strong>de</strong>rum in die Arbeitunserer Arbeitsgruppe ein. Dieser Prozess führtdazu, dass die vielfältigen Aspekte nachhaltigenHan<strong>de</strong>lns – vom Lichtausschalten <strong>im</strong> Büro über<strong>de</strong>n Einsatz von Trinkwasserspen<strong>de</strong>rn bis hin zurkonkreten, zukunftsgerichteten Produktentwicklung– sich in <strong>de</strong>r täglichen Arbeit <strong>de</strong>r Kollegennie<strong>de</strong>rschlagen beziehungsweise zur Projektreife„Oh, wie schön du wohnst“, das erste Bil<strong>de</strong>rbuch<strong>de</strong>r GESOBAU, räumt mit Vorurteilen aufgetrieben wer<strong>de</strong>n. Dabei ist das Ziel eigentlich nieerreicht, <strong>de</strong>nn Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Manist nie ein „nachhaltiges Unternehmen“, man istvielmehr mit bestem Wissen auf <strong>de</strong>m Weg undsetzt dafür alle nötigen Mittel und Maßnahmenein.Frau Huthmann,vielen Dank für das Gespräch.Das Interview führte Olaf Berger.<strong>12</strong> | <strong>2013</strong>75