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c't magazin für computer technik 15 vom 1.7.2013 - since

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Jan-Keno JanssenWarum Glass(noch) nicht funktioniertErnüchternde Langzeiterfahrungen mit Google GlassGoogles Datenbrille Glass soll sich geschmeidig in den Alltagintegrieren. Doch das klappt nicht, wie unser Langzeittest offenbart.Eines muss man Google lassen:In Sachen Marketing istGlass ein Meisterstück. Es gibtwohl auf der ganzen Welt keinenTechnikenthusiasten, den derHype komplett kalt lässt – undder die Datenbrille nicht gernezumindest einmal ausprobierenwürde. Durch künstliche Verknappungund einen irrwitzigenPreis von <strong>15</strong>00 US-Dollar habendie Kalifornier ihrem Produkt dieAura des Kostbaren und Besonderengegeben; sogar bei Menschen,die sonst nichts mit Technikam Hut haben.Hat sich der Weihrauch verzogen,bleibt nicht mehr ganz so vielvon der Wunderbrille. Das hattenwir bereits in unserem ausführ -lichen Test in Ausgabe 13/13 herausgefunden.Ein mehrwöchigerLangzeit-Alltagstest bestätigtedie Probleme jetzt überdeutlich:Glass ist zwar die bislang am konsequentestenauf Alltagsnutzengetrimmte Datenbrille, enttäuschtaber aus fünf Gründen:1. Glass ist zu viel KameraAuch wenn die Brille auf GooglesWerbefotos nahezu in den Gesichternder Models verschwindet.In der Realität identifiziertman einen Glass-Träger auf 30Meter Entfernung, so auffällig istdas Gehäuse. Sogar Mitmenschen,die die Google-Brille nochnie gesehen haben, erkennen unsererErfahrung nach fast immer,dass da jemand eine Kamera aufdem Kopf trägt. Das ist dasGrundproblem: Kein Menschfühlt sich entspannt, wenn einObjektiv auf ihn gerichtet ist. Beteuerungen,dass man auf keinenFall fotografieren oder filmen will,helfen wenig – die Allgegenwartder Linse verdirbt die Atmosphäre.Je häufiger man als Glass-Trägerdiese latente Unentspanntheitspürt, desto häufiger nimmtman die Brille ab. Am Ende willman sie nur noch aufsetzen,wenn gerade niemand in derNähe ist. Oder einen auffälligenKlebestreifen auf die Linse pappen.Wer einen 3D-Drucker hat,kann sich auch ein „Privacy Kit“(siehe c’t-Link) ausdrucken: DerPlastikrahmen deckt das Objektivsauber ab.Dass die Brille von Googlestammt, macht das Ganze nichtbesser: In Zeiten des Prism-Datenskandalsweiß schließlich niemandso genau, ob die geschossenenFotos nicht direkt auf einerGeheimdienst-Festplatte landen.Vollkommen ausgeschlossen istdas nämlich nicht, schließlichschickt Glass in der Standard-Einstellungalle Fotos und Videos indie Cloud.2. Glass arbeitet wenigkontextbezogenDie Werbefotos und -videos aufder Glass-Website führen clever indie Irre: Da sieht man, wie jemandeine Qualle im Aquarium beobachtetund Glass Informationenzu den glitschigen Tierchen insSichtfeld einblendet. Oder wie jemandüber die Brooklyn Bridgeläuft und im Glass-Display steht,dass die Brücke 1825 Meter langist. All diese Informationen kanndie Brille zwar tatsächlich anzeigen,man muss aber explizit danachfragen – also zum Beispiel„Ok Glass“, „Google“, „How long isthe Brooklyn Bridge?“ Ob manwährenddessen auf besagter Brückesteht oder in Wanne-Eickel aufdem Sofa sitzt, ist vollkommenegal, denn das Kamerabild wirdbei der Informa tionssuche aktuellüberhaupt nicht einbezogen –obwohl der Konzern mit Apps wieGoogle Goggles bereits bewiesenhat, wie gut er Bildanalyse beherrscht.Auch die GPS-Posi tionwird zurzeit noch nicht ausgewertet.Glass ist deshalb definitivkeine „Augmented-Reality“-Brille,auch wenn das häufig behauptetwird.Damit verpufft ein Großteil desGlass-Potenzials. Ich kann zwarnach Eichen fragen, während ichdurch den Wald spaziere (wissenschaftlicherName Quercus, 600Arten) – aber wie viel praktischerwäre es, wenn mir Glass aufWunsch einfach mitteilen würde,welche Pflanzen ich gerade sehe?Das Gleiche gilt für Architektur:Wenn ich in einer fremden Stadtbin, weiß ich gewöhnlich nicht,an welchem Gebäude ich geradevorbeilaufe, und zurzeit ändertauch Glass daran nichts.Generell ist die Brille bei derSprachsuche auf Informationenbeschränkt, die in Googles Know -ledge-Graph-Datenbank stehen.Zum Ausprobieren: Die Infor ma -tions-„Karten“, die Glass ausspuckt,sind die gleichen wie beider konventionellen Google-Suche.Originelle Glass-Apps (sogenannte„Glassware“), die der Brillemehr kontextbezogene Intelligenzbeibringt, gibt es bishernicht. Ohnehin ist auffällig, wieschleppend neue Apps für dieBrille veröffentlicht werden – imvergangenen Monat haben wirnur rund ein Dutzend neueGlassware-Anwendungen gezählt,die meisten davon kleineProgrammier-Fingerübungen àla „Jeden Tag ein motivierenderKalenderspruch“.3. Glass’ Akku istständig leerAuch wenn geringes Gewichtund Tragekomfort wichtig sind:Eine praxistaugliche Betriebsdauerist wichtiger. Und zumindestbei unserer Brille aus der Serie derersten 2000 Entwickler-Exem -plare ist diese ganz und gar nichtpraxistauglich. Benutzt man dieBrille nämlich etwas intensiver,schaltet sie sich nach nicht einmalzwei Stunden ab – obwohl dasDisplay meist gar nicht einge-76 c’t 2013, Heft <strong>15</strong>

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