Digitale Mehrwerte _Hrsg. Lars M. Heitmueller_26092015
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Aber: Wer liest mit, was ich lese und wer sind<br />
die Anderen?<br />
Der proaktive Ansatz ist mir persönlich viel lieber,<br />
denn ich kann selbst bestimmen, was mich<br />
interessiert und - ganz wichtig - ich kann das<br />
auch jederzeit nach Lust und Laune anpassen<br />
und abstellen. Dies bieten mir Niiu, Flipboard,<br />
News.me, Blogbox und Putpa.tv.<br />
Wenn ich aber feststelle, dass mir Inhalte auf<br />
Basis meines Nutzerverhaltens präsentiert werden,<br />
finde ich das irgendwie spooky. Wer liest<br />
mit, was ich lese und wer sind die Anderen? Klar<br />
ist mir, dass das in erster Linie auf Basis irgendwelcher<br />
schlauen Algorithmen und intelligenter<br />
Data Mining Techniken von Computern erfolgt<br />
und nicht direkt von Menschen - oder doch? Diese<br />
Rechner benötigen bestimmte Daten von mir,<br />
damit sie funktionieren können, doch was passiert<br />
noch mit meinen Daten? Wie transparent<br />
macht mich mein Medienkonsum?<br />
Beim näheren Beschäftigen mit diesem Thema<br />
erfahre ich, dass trotz der vielen Vorteile und<br />
Chancen, sowohl für die Medienunternehmen<br />
als auch für mich als Nutzer, das Konzept der<br />
Personalisierung und Individualisierung von<br />
redaktionellen Inhalten längst nicht nur positiv<br />
bewertet wird. Verstärkt durch verschiedene Datenskandale<br />
und kritischen Äußerungen wichtiger<br />
Meinungsbilder, wie z.B. Frank Schirrmacher<br />
und Sascha Lobo, wird das Sammeln und Auswerten<br />
von Daten durch den Rezipienten zunehmend<br />
kritischer bewertet (vgl. Deutsche Telekom<br />
et al., 2013, S. 13 ff.). Aber der Reihe nach.<br />
Warum kann Personalisierung und Individualisierung<br />
denn so gefährlich für mich werden?<br />
Frank Schirrmacher sagte in einem TV-Interview<br />
mit Peter Voß Anfang 2014: „Daten sind das<br />
Gold des 21. Jahrhunderts. [...] Es ist möglich<br />
[...] den Menschen beim Denken zuzuschauen.<br />
[...] Es ist möglich zu bestimmen, was der Kunde<br />
in drei Monaten konsumieren möchte?“ Dabei<br />
wird nicht danach gefragt, ob wir das wollen oder<br />
nicht, denn es lässt sich nicht mehr umkehren,<br />
so Schirrmacher weiter, vielmehr fordert er eine<br />
Debatte darüber und fordert eine Steigerung der<br />
Digitalisierungskompetenz. Ja, dem kann ich zustimmen<br />
und muss leider auch zugeben, so ein<br />
Digital Native ich auch bin, aber wirklich vorsichtig<br />
bin ich mit meinen persönlichen Daten weniger<br />
und was hier besonders wichtig zu erwähnen<br />
ist, noch unvorsichtiger bin ich bei meinem medialen<br />
Konsum. Ich lese, was mich interessiert.<br />
Egal, ob andere „mitlesen“. Diese Frage stellt<br />
sich für mich während des Lesens leider einfach<br />
gar nicht.<br />
Auch Sascha Lobo führt uns regelmäßig Ausmaß<br />
der Sammlung und Auswertung vor Augen,<br />
so schreibt er z.B. in seiner Kolumne in der FAZ:<br />
„Die persönlichen Daten eines Individuums werden automatisiert und ohne<br />
sein Wissen zu seinem Schaden missbraucht. [...]<br />
Mehr noch, die gesamte Ökonomie transformiert sich zur Datenökonomie,<br />
die digitale Vernetzung und ihre Datenflüsse sind das Nervensystem<br />
der kommenden Wirtschaft.“ Ich muss schlucken. Vermutlich hat er recht.<br />
Doch wie soll ich denn nur Herr über die Informationsflut werden, wenn<br />
nicht über die persönlich für mich bereitgestellten Informationen? Und ganz<br />
ehrlich, welche kritischen Daten und Themen werden schon über meinen<br />
Medienkonsum an Dritte vermittelt? Ist es wirklich so gefährlich, dass ich<br />
mich für sämtliche Mode- und Beauty-Themen interessiere, sämtliche<br />
Blogs und digitale Nachrichtenseiten lese, bei Google ständig für die Uni<br />
nach interessanten Büchern und Artikeln recherchiere und hier und da mal<br />
ein paar Sendungen in den Mediatheken anschaue? Ich bin ein normaler<br />
Durchschnittsstudent, kein Special Agent á la James Bond oder so. Stinklangweilig<br />
also.<br />
Und na und, dann wird mir eben aufgrund meiner Cookies Online Werbung<br />
zugespielt. Hab ich persönlich kein Problem damit. Andernfalls kann man<br />
diese ja kinderleicht löschen oder deren Nutzung nicht zustimmen, einen<br />
Adblocker aktivieren und so weiter und so fort.<br />
Nicht mitzumachen ist auch keine Lösung!<br />
Als Digital Native weiß ich, dass wird keinen Schritt mehr zurück gehen. Wir<br />
werden uns nur weiter mit der digitalen Evolution entwickeln. Der Schutz<br />
der persönlichen Daten wird sich zunehmend verbessern. Und auch die<br />
Digitalisierungskompetenz wird sich zunehmend steigern. Doch so schnell<br />
wie der Medienwandel sich vollzieht, so schnell kommt keine Gesellschaft<br />
hinterher. Die Lehrpläne in den Schulen und Universitäten müssen angepasst<br />
werden und auch die Bevölkerung im Allgemeinen, vor allem die ältere<br />
Generation, muss sich anpassen und dazulernen. Nicht mitzumachen ist<br />
auch keine Lösung. Zudem ist auch zu konstatieren, dass das Phänomen<br />
der Big Data gerade in das Tal der Disillusion gerät. Dies geht aus dem<br />
aktuellen Gartner Hype Cycle 2014 vor. Und warum? Weil noch viele Branchen<br />
einfach noch nicht wissen, was sie mit der Fülle an Daten anstellen<br />
sollen.<br />
Doch zurück zum Thema: Gibt es noch einen kritischen Punkt, warum die<br />
Personalisierung und Individualisierung digitaler Inhalte mit Vorsicht anzuwenden<br />
ist?<br />
Unter der Personalisierung und Individualisierung von digitalen Inhalten<br />
wird das Anpassen redaktioneller Informationen und Dienste<br />
unter Berücksichtigung der Vorlieben, Fähigkeiten, Bedürfnissen<br />
und Interessen eines individuellen Nutzers verstanden, um für diesen<br />
nützliche und relevante Informationen zu generieren und anbieten<br />
zu können (vgl. Goldhammer, 2012, S. 5). Grundsätzlich sind<br />
jedoch die Begrifflichkeiten Personalisierung und Individualisierung<br />
voneinander zu unterscheiden: Unter ,Personalisierung von digitalen<br />
Inhalten‘ werden in dieser Arbeit konkret jene anbieterseitigen<br />
Maßnahmen verstanden, die zu einer persönlichen Anrede des<br />
Rezipienten führen. Dagegen umfasst die begriffliche Bezeichnung<br />
,Individualisierung von digitalen Inhalten‘ einen größeren Umfang<br />
der Maßnahmengestaltung und bedarf daher umfangreicherer Informationen<br />
über den Rezipienten, wie z. B. personenbezogene<br />
Daten über Präferenzen, Kaufhistorie, psychografische Größen und<br />
soziodemografische Angaben. Nach diesem Verständnis ist Personalisierung<br />
folglich nur eine anwendbare Gestaltungsmaßnahme<br />
der Individualisierung des Angebotes (vgl. Reichwald/Piller, 2006,<br />
S. 196 f.; Gerth/Strauß, 2001, S. 1260). Leider erthält die Fachliteratur<br />
nur zum Teil diese begrifflichen Trennung, zumeist wird nur von<br />
Personalisierung gesprochen (vgl. u.a. LfM, 2012, S. 3 ff; Wirtz a,<br />
2013, S. 737 & 758).<br />
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