23.08.2016 Aufrufe

NEUE MOBILITÄT 16

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Revolution der Zweiräder - GUNNAR FEHLAU<br />

Wenn wir die Neue Mobilität als eMobilität verstehen - was<br />

hier Tenor sein dürfte - dann sind die Menschen unterwegs<br />

und zwar auf dem Pedelec. Selbst konservativ geschätzt fahren<br />

in Deutschland rund 1,5 Mio. Pedelecs. Das ist eine beachtliche<br />

Zahl und erlaubt, marktschreierisch vom Pedelec<br />

als der führenden Individual-eMobilität zu sprechen. Die<br />

eAuto-Bestände in der Republik sind dagegen im absoluten<br />

und relativen Vergleich gegenwärtig allenfalls in homöopathischen<br />

Dosen auffindbar. Nimmt man die Hybridautos mit<br />

in die Wertung, so verändern sich die Zahlen, aber nicht die<br />

Aussage des Vergleichs. Daraus lässt sich weder der Niedergang<br />

des Automobils noch ein Siegeszug des Fahrrads/<br />

Pedelecs herauslesen. Es ist eine situative Bestandsaufnahme<br />

in einem Bereich, der mannigfaltigen Veränderungen unterworfen<br />

ist und damit von geringer prognostischer Kraft.<br />

QUELLE: www.pd-f.de / biketec<br />

Welche Bedürfnisse stehen hinter der Neuen Mobilität? Das<br />

»neu« streichen wir erst einmal. Hinter jeder Mobilität steht<br />

der Mangel. Das begann mit dem aufrechten Gang und Auszug<br />

aus Afrika und gilt auch für die abendliche Kneipentour oder<br />

die tägliche Fahrt zur Arbeit. Damit wird klar: Es gibt eine sehr<br />

archaische Bedürfnislage, die sich facettenreich ausgestaltet<br />

und eine ebenso grundsätzliche wie vielfältige Mobilität, die<br />

diese Mangelbedürfnisse zu beheben trachtet. Die Pferdekutsche<br />

ist fast weg, das eAuto noch nicht wirklich da, alles<br />

ist in Bewegung und im Wandel. Eigentlich nichts Neues und<br />

nichts Altes, sondern ein steter Wandel. Doch wie vollzieht<br />

sich der Wandel?<br />

Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es nach wie vor Bücher, echte<br />

Konferenzen und auch handschriftliche Notizen. Über alle Lebensbereiche<br />

hinweg verläuft das Ränkespiel zwischen dem<br />

Neuen und dem Alten nach der gleichen Dramaturgie: Das Neue<br />

kommt aus der Nische, auf eine erste Ablehnung folgt ein zaghaftes<br />

Ausprobieren. Anschließend werden die partikularen<br />

Vorzüge zum Anlass genommen, um teils spielerisch, teils<br />

verkrampft das Neue in allen möglichen (und unmöglichen)<br />

Zusammenhängen auszuprobieren. Das ist eine herrliche<br />

Phase für den Beobachter, denn Erfolg und Misserfolg liegen<br />

eng beieinander und finden in unterschiedlichen Anwendungen<br />

mitunter vollständig parallel statt. Praktisch: Befürworter<br />

wie Gegner finden stets genug Munition für ihre Position.<br />

Dieser Zustand transformiert sich schließlich zu der Phase, in<br />

der das Neue die Aufgaben übernimmt, in denen es das Alte<br />

aussticht und das Alte bleibt bei dem, was es besser kann.<br />

Liebesbriefe wirken auf Papier einfach besser, während eine<br />

Bedienungsanleitung sich am Rechner einfach besser durchsuchen<br />

lässt.<br />

Die Dinge nehmen ihren Lauf und halten Richtung und Tempo<br />

auf ewig, wenn sie keinen neuen Impuls erhalten. So hat es<br />

Isaac Newton frei ausgelegt formuliert. Das gilt auch für den<br />

Wandel der Mobilität. So flüssig, wie gerade dargestellt, ist<br />

das Wechselspiel von Neu und Alt im laufenden Betrieb jedoch<br />

nicht immer. Statt Ewigkeit gibt es laufend neue Impulse<br />

und die Wirkrichtung und -intensität ändert sich. Da müssen<br />

dann schon mal die Grundeinstellungen nachjustiert werden:<br />

Im zähen Ringen über die beste Energiequelle verändern<br />

sich durch einen unfallbedingten Adhoc-Atomausstieg die<br />

Grundannahmen. Oder gesellschaftlicher Wandel ändert die<br />

Grundhaltung zu Verhaltensweisen oder Dingen aus einer<br />

Subkultur heraus grundsätzlich. Vor einigen Jahren noch waren<br />

Veganer »Spinner«, heute sind sie hip. Vor Jahren noch<br />

waren Radtouristen in Hotels und Gastronomie unbeliebt,<br />

heute hofiert man sie, weil sie stattlichen Umsatz bedeuten.<br />

Schauen wir auf den Firmenparkplatz: Früher kam mit dem<br />

Rad, wer Öko-Fundi war, sich keinen Wagen leisten konnte<br />

oder den Lappen dem Alkohol geopfert hatte. Heute erkennen<br />

wir Radfahrer als schneller, ökologischer und cleverer:<br />

Sie verbinden alltägliche Mobilitätspflichten mit Spaß. Und<br />

die Betriebsärzte frohlocken: Radfahrer sind seltener krank<br />

und am Arbeitsplatz von der ersten Minute an wach.<br />

Der Erfolg des Pedelecs, im letzten Jahr allein<br />

wurden über 400.000 Stück verkauft, ist zunächst<br />

einmal kein Erfolg einer Branche oder planvoller<br />

Politik. Im Gegenteil: Das Pedelec ist trotz<br />

und nicht wegen dieser beiden ein Erfolg.<br />

Das gilt auch für die Politik: Es waren keine politischen Maßnahmen,<br />

die das Pedelec erfolgreich gemacht haben, vielmehr<br />

zeigte sich das Pedelec schlicht resistenter gegen die Auswirkungen<br />

politischer Aktivitäten als andere (neue) Formen der<br />

Mobilität. Branche und Politik wurden vom Erfolg der Elektrifizierung<br />

des Fahrrades überrascht. Die Akklimatisierung an<br />

diesen hält in beiden System noch an. Die Fahrradbranche<br />

kann (dennoch) stolz auf sich sein und verdient Respekt für<br />

ihre Leistungen und den Erfolg des Pedelec. Umgekehrt muss<br />

44 Neue Mobilität

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!