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Experimentelle Psychologie

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94 <strong>Experimentelle</strong> <strong>Psychologie</strong><br />

müssen sie darum ein unkörperliches Bild ergeben. Springen jedoch<br />

einzelne Buchstaben und Striche aus der Bildebene hervor, so ist die<br />

Ungleichheit der Bilder und damit der verschiedenartige Ursprung der<br />

Drucke erwiesen.<br />

4. Der Ursprung der binokularen Tiefen*<br />

Wahrnehmung.<br />

An dieser Stelle kehrt die Streitfrage wieder, ob unsere<br />

Tiefenwahrnehmung angeboren oder erworben sei. Nach*<br />

dem wir schon ausgeführt haben, daß und wie das Einauge<br />

eine vollkommene TiefenWahrnehmung erlangen kann, dür*<br />

fen wir von der historischen Entwicklung der Kontroverse<br />

absehen und können sogleich die Kernfrage nennen, um die<br />

sich heute der ganze Streit dreht. Auch der Nativist gibt<br />

heute zu, daß allein mit den Mitteln des Einauges tatsächlich<br />

eine Tiefenwahrnehmung zu erzielen ist. Er behauptet<br />

jedoch, daß die Querdisparation eine unmittelbare und wahre<br />

Empfindung der Tiefe vermittle, eine Empfindung, die<br />

uns zwar nicht die absolute Entfernung der Dinge vom Auge<br />

unmittelbar kennen lehrt, die jedoch die Lage der Gegen*<br />

stände zu der Kernfläche zeigt. Aus diesem Grundkapital<br />

entwickle sich die vollkommene Tiefenwahrnehmung des<br />

Erwachsenen, für den schließlich die Querdisparation das<br />

feinste und eigentlichste Mittel zur Erkennung der Tiefen*<br />

unterschiede wird. Man braucht ja nur ein Auge zu schließen,<br />

um alsbald eine beträchtliche Herabsetzung unseres Körper*<br />

lichsehens festzustellen.<br />

Dem Nativismus stehen für seine Ansicht schwerwie*<br />

gende Gründe zu Gebote. Ihr wuchtigster dürfte der oben<br />

(S. —) beschriebene Stereoskopversuch sein: die einfache<br />

Reizung querdisparater Netzhautpunkte bewirkt ohne irgend*<br />

welche anderen objektiven oder subjektiven Anhaltspunkte<br />

eine Tiefenwahrnehmung. Dazu kommt die große Schwierig*<br />

keit, den unleugbar anschaulichen Charakter des Tiefenein*<br />

druckes aus Vorstellungselementen verständlich zu machen.<br />

— Indes durchschlagend sind diese Beweise nicht. Solange<br />

es nicht möglich ist, bei einem operierten Blindgeborenen<br />

den Heringschen Stereoskopversuch mit Erfolg anzustellen,

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