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Experimentelle Psychologie

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Das Flächenelement.<br />

Nativismus und Empirismus<br />

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elemente entspricht. Namentlich um diese beiden letzten<br />

Fragen dreht sich auch heute noch der Streit zwischen Empk<br />

rismus und Nativismus.<br />

Teils aus metaphysischen Gründen, mit Rücksicht auf die Einfachheit<br />

der Seele (Her hart, Lotze), teils aus dem methodischen Gedanken<br />

heraus, mit möglichst wenigen Elementen des Seelenlebens<br />

auszukommen (die englischen Assoziationspsychologen), erkennt der<br />

Empirismus der ursprünglichen Gesichtsempfindung keine Ausdehnung<br />

zu. Die Entstehung der räumlichen Ordnung des Gesichtsbildes suchte<br />

Lotze durch die geistvolle Theorie der Lokalzeichen zu<br />

erklären: Wird eine exzentrisch gelegene Netzhautstelle von einem<br />

Lichtreiz getroffen, so wendet das Auge unwillkürlich die Netzhautmitte<br />

der Lichtquelle zu. Es führt dabei eine ganz bestimmte Muskelbewegung<br />

aus, die immer nur dann vorhanden ist, wenn nach anfänglicher<br />

Reizung jener bestimmten Stelle die Netzhautmitte dem Lichtreiz<br />

ausgesetzt werden soll. Werden andere exzentrische Stellen<br />

getroffen, so erfolgen andere Bewegungen und dementsprechend andere<br />

Muskelkontraktionen. Jede Muskelkontraktion ruft aber in der<br />

Seele eine eigenartige Spannungsempfindung hervor. Somit verbindet<br />

sich mit der Reizung einer jeden Netzhautstelle eine eigenartige<br />

Spannungsempfindung: dem System der Netzhautstellen entspricht ein<br />

System von Spannungsempfindungen. Wie die Bücher einer Bibliothek<br />

durch ihre Etiketten, so sind die qualitativen Erregungen der einzelnen<br />

Netzhautorte durch ihre Spannungsempfindungen gekennzeichnet. Und<br />

genau so wie eine solche Bibliothek in beliebiger Ordnung verpackt und<br />

doch in der früheren Ordnung in einem andern Raume wieder aufgesteilt<br />

werden kann, so können auch in der Nervenleitung die Erregungen<br />

einen beliebigen Weg nehmen: die Seele weiß dann doch die ursprüng-<br />

baute diese Theorie zu<br />

liche Ordnung wiederherzustellen. — W u n d t<br />

der der komplexen Lokalzeichen aus. Die Farbenqualitäten, die von<br />

dem gleichen Reiz auf verschiedenen Orten der Netzhaut erregt werden,<br />

sind nicht gleich; bekanntlich verlieren sich nach der Peripherie zu<br />

sogar einzelne Farbentöne. Für jeden Punkt der Netzhaut gibt es eine<br />

charakteristische lokale Färbung. Mit dieser verbinden sich die gleichfalls<br />

charakteristischen Spannungsempfindungen. Und die Verschmelzung<br />

beider ergibt in der Seele ein völlig neues Produkt; die Ausdehnung<br />

samt der Ordnung, Allerdings soll sich dieser Vorgang nicht<br />

in der Entwicklung des Individuums, sondern in der des Stammes vollzogen<br />

haben.<br />

Allein die von den Empiristen vorgebrachten Gründe<br />

sind nicht überzeugend, und anderseits stehen ihrer Erkläa<br />

Die Einfachheit<br />

rung die größten Schwierigkeiten im Wege.<br />

der Seele kann diese sicher nicht hindern, ein Ausgedehntes<br />

abzubilden. Hingegen ist es unbegreiflich, wie die Summation<br />

Philos. Handbibi. Bd.V. ü

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