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Experimentelle Psychologie

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290 <strong>Experimentelle</strong> <strong>Psychologie</strong><br />

ist einerseits an den Gegenstand, anderseits an dessen Bezeichnung.<br />

Wie beim Verkennen eines Gegenstandes im wachen Zustande, so wird<br />

auch im Traum das Bedeutungsbewußtsein lebendig, wenn nur ein Teil,<br />

nur ein Zug des ihm zugehörigen Gegenstandes wahrgenommen wird:<br />

ein auf dem Wege liegender gebogener Zweig wird aus der Feme für<br />

eine Schlange gehalten<br />

Wenn unsere Theorie der höheren Gefühle richtig ist (S. 213),<br />

müssen sie im Traum wegen der allgemeinen Reproduktionsschwäche<br />

sehr mäßig sein, bisweilen sogar gänzlich ausfallen. Insofern sie aber<br />

auf einer gleichzeitigen Organempfindung beruhen, die, wie Atembeschwerden,<br />

Herzbeklemmung u. ä. m., durch einen zufälligen Reiz<br />

hervorgerufen werden und wegen des Schlafzustandes nicht zu beseitigen<br />

sind, müssen sie das gewohnte Durchschnittsmaß überschreiten.<br />

Der Wille endlich benimmt sich im Traum geradeso wie in der Phantasietätigkeit.<br />

Er wendet sich dem ihm Angenehmen zu und bedingt<br />

durch diese Zuwendung eine Entwicklung der Vorstellungen in der betreffenden<br />

Richtung, wenn anders die zu Gebote stehende psychophysische<br />

Energie es zuläßt. Er vermag sogar zwischen zwei Möglichkeiten<br />

zu wählen. Aber von einer verantwortlichen Wahl kann keine<br />

Rede sein, weil ihm wegen der beschränkten Reproduktion nur ein Teil<br />

der Motive vorgeführt wird. Eine Willenslähmung braucht man hier<br />

nicht anzunehmen. Der Wille funktioniert ganz intakt, nur gleicht er<br />

einem Feldherrn mit unzulänglichen Truppenmassen und mangelhaftem<br />

Meldedienst. So und nicht anders ist auch die Bewegungslosigkeit im<br />

Schlaf und Traum zu verstehen. Der Wille tut das Seinige. Allein der<br />

Zugang zum motorischen Apparat ist versperrt. Nur wenn ein partieller<br />

Defekt in dem Ausschaltungsmechanismus vorhanden ist, gelingen<br />

größere Bewegungen, und wir haben den Somnambulen vor uns.<br />

Die Auswahl des Traumgegenstandes bereitet nunmehr<br />

auch keine besonderen Schwierigkeiten mehr. Nach dem, was wir<br />

über die Assoziationen wissen, können die bedeutsamen Ereignisse des<br />

Vortages für gewöhnlich nicht den Traumgegenstand abgeben. Läßt<br />

man nämlich Vpn (Kinder) eindrucksvolle Erlebnisse durchmachen und<br />

bietet ihnen am folgenden Tag im Assoziationsversuch unter indifferenten<br />

auch auf diese Erlebnisse bezügliche Reizwörter, so werden sie<br />

fast gar nicht mit Wörtern reagieren, die sich auf jene Erlebnisse beziehen<br />

(H. S a e d 1 e r). Die neuen Erlebnisse bilden eben abgeschlossene<br />

Komplexe für sich, von denen noch keine gangbaren Bahnen zu<br />

jenen Reizwörtern führen. Aus demselben Grunde werden die bedeutsameren<br />

zu einem Komplex zusammengeschlossenen Ereignisse des<br />

Vortages im Traum nicht reproduziert werden können, falls nicht<br />

außergewöhnliche Perseverationserscheinungen auftreten. Da ferner<br />

unter sonst gleichen Verhältnissen die älteren Assoziationen vor den<br />

jüngeren begünstigt sind (S. 168), so werden im allgemeinen im tieferen<br />

Schlaf die älteren Erlebnisse auftauchen.

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