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Experimentelle Psychologie

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Die nicht-optische Ranmanschaimng des Sehenden 113<br />

selbst Hie Größenschätzung der von der Haut berührten Ob#<br />

jekte von der Güte der Visualisation ab: wer bessere optische<br />

Vorstellungen von den berührten Körperteilen in sich erzeu#<br />

gen kann, lokalisiert besser und schätzt die Größen richtiger.<br />

Die Leistungen des Ortssinnes möchten nach dem Gesagten wohl<br />

als nahezu selbstverständlich erscheinen und kein nennenswertes Problem<br />

einschließen. Allein man darf nicht vergessen, daß diese relativ<br />

einfachen Erklärungen erst in mühevoller Einzelforschung erarbeitet<br />

werden mußten, um allmählich die Auffassung von jener rätselhaften<br />

Fähigkeit der Tastnerven zu verdrängen, vermöge deren sie unmittelbar<br />

von jeder einzelnen Körperstelle Kunde bringen sollten.<br />

Es bereitet nunmehr keine Schwierigkeit mehr, eigenartige Täuschungen<br />

auf dem Gebiete des Tastsinnes zu verstehen. Verschiebt<br />

man die Lippen horizontal gegeneinander und berührt sie dann gleichzeitig<br />

mit einem vertikal gehaltenen Bleistift, so entsteht der Eindruck,<br />

als sei der Bleistift schräg geneigt (Czermak). Oder die bekannte<br />

aristotelische Täuschung: kreuzt man Zeige- und Mittelfinger<br />

und rollt mit den so gekreuzten Fingern ein Kügelchen, so glaubt man<br />

deutlich zwei Kügelchen unter den Fingern zu haben. Die Täuschung<br />

wird um so stärker, je weniger man auf die Lage der Finger achtet, und<br />

verschwindet, wenn man auf die Finger sieht. In beiden Fällen steht<br />

die durch die Erfahrung geleitete Meldung des Ortssinnes in Widerspruch<br />

mit dem wirklichen Sachverhalt und bedingt so eine falsche<br />

Auffassung, zu der allerdings außer dem Ortssinn noch höhere Funktionen<br />

mitwirken.<br />

Flat der Ortssinn nur anzugeben, welche Körperstelle berührt wird,<br />

so wird uns in<br />

der Lagewahrnehmung außerdem noch vermittelt,<br />

welche Stellung im Raum ein Körperteil in dem Augenblick einnimmt,<br />

wo ihn ein Tastreiz trifft. Nach der trefflichen Analyse Spearmans<br />

besagt jede Lagewahrnehmung ein Dreifaches: 1) die Angabe<br />

des Ortssinnes, an welcher Stelle des Körpers der Reiz auftraf (die<br />

segmentale Bestimmung) ; 2) die Kunde über die von den Gelenken gebildeten<br />

Winkel (die artikuläre Bestimmung) ; 3) ein Wissen von der<br />

Länge der Zwischenglieder (die intermediäre Bestimmung). Über die<br />

segmentale Bestimmung ist nichts hinzuzufügen. Die intermediäre Bestimmung<br />

wird durch die festliegenden Vorstellungen des Gesamtkörpers<br />

besorgt. Schwierigkeiten bereitet nur die artikuläre Bestimmung,<br />

namentlich wenn man sie mit Spearman auf die Gelenkempfindungen<br />

zurückführt. Nach dem, was oben (S. 65 f.) über die ldnästetischen<br />

Empfindungen gesagt wurde, wird man auch hier vorerst statt der Gelenkempfindungen<br />

die vereinigten Wahrnehmungen der Haut- und<br />

Kraftempfindungen heranziehen müssen. Sie sind auch in der Ruhelage<br />

der Glieder vorhanden und können sich mit der visuellen Vorstellung<br />

von der Haltung des Gliedes verbinden.<br />

Bei der experimentellen Untersuchung der Lagevorstellungen zeigte<br />

Philos, Handbibi. Bd.Y. 8

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