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Experimentelle Psychologie

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Die Zeitwahmöhmung 129<br />

Damit verdrängen wir gleichzeitig Gedanken und Beschäftigungen, die<br />

uns zerstreuen könnten, und es entsteht die Langeweile.<br />

Offenbaren die genannten Verhältnisse die Relativität und Subjektivität<br />

unserer Zeitschätzung, so zeigt die „Zeitver Schiebung"<br />

unsere Unfähigkeit, ein Jetzt zu fixieren, wenn es durch zwei disparate<br />

Sinneseindrücke gekennzeichnet wird. Diese Tatsache ist unter dem<br />

Namen der persönlichen Gleichung schon lange in der Astronomie<br />

bekannt: zwei Beobachter werden niemals in übereinstimmender Weise<br />

angeben, an welcher Stelle des Fadenkreuzes der durchgehende Stern<br />

beim Ertönen des Sekundenschlages stand. W u n d t prüfte dies<br />

genaper durch „Komplikationsversuche“. Die Vp hat einen sich bewegenden<br />

Zeiger zu beobachten und festzustellen, wo der Zeiger stand,<br />

als ein Glockensignal ertönte, Anfangs wird in der Regel eine Stellung<br />

vor der richtigen, später eine solche hinter der zutreffenden<br />

genannt. Man hört also im Anfang gewissermaßen das Signal, bevor<br />

es gegeben ist, und später scheinbar erst, nachdem es schon erklungen.<br />

Die Erklärung des Phänomens ist noch umstritten. Man wird es nicht<br />

einfach mit Wundt auf die verschieden lange Apperzeptionszeit der<br />

beiden Reize zurückführen können, sondern beachten müssen, auf welchen<br />

Reiz der Beobachter jeweils eingestellt ist: die Auffassung jenes<br />

Sinnesreizes, den die Vp zunächst erwartet, ist begünstigt und erfolgt<br />

darum vor der des anderen Reizes (M i c h o 1 1 e) . Erhellt man die<br />

Fensterreihe eines Schirmes gleichzeitig durch eine Geißlerröhre und<br />

läßt eines der Fenster beachten, so scheint die Aufhellung von dieser<br />

Stelle auszugehen (B e t h e).<br />

Eine weitere Ungenauigkeit in der Zeitauffassung, die<br />

jedoch unserem ganzen Denken und Leben zum Heile ge*<br />

reicht, begehen wir bei der Auffassung des Jetzt. Das<br />

objektive Jetzt kann nur in einem unteilbaren Augenblick<br />

bestehen, das subjektive Jetzt, die „psychische Prä?<br />

senzzeit“ hingegen umfaßt mehrere Sekunden. Das in<br />

dem punktförmigen Jetzt Erlebte entschwindet nämlich beim<br />

Gesunden nicht stracks dem Bewußtsein. Es verweilt zwar<br />

nicht mehr im Mittelpunkt, es verliert auch je länger, je mehr<br />

an Klarheit und Ausgeprägtheit, aber es steht doch noch so<br />

vor unserem Geiste, daß wir es nicht zu reproduzieren, som<br />

dern nur zu beachten brauchen, falls wir es noch einmal zu<br />

besehen wünschen, während wir die Erlebnisse der früheren<br />

Vergangenheit überhaupt erst wieder ins Bewußtsein zurück?<br />

führen müssen. Der große Vorteil dieser Einrichtung liegt<br />

auf der Hand und wird besonders gewürdigt, wenn krank?<br />

Thilos. Handbibi. Bd. V. 9

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