08.03.2018 Aufrufe

Experimentelle Psychologie

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

272<br />

<strong>Experimentelle</strong> <strong>Psychologie</strong><br />

Aber dann wäre auch die<br />

Geschmacksfreude und der geschlechtliche<br />

Genuß einzubeziehen? Grundsätzlich könnte man dies einräumen,<br />

wären nicht diese Erlebnisse derart mit Trieben und Reflexen<br />

verkoppelt, daß ein ruhiges Stehenbleiben bei dem Genuß praktisch<br />

unmöglich ist. — Von dem Standpunkt, den wir gewonnen, ist es nun<br />

leicht, zu heißumstrittenen Fragen Steilung zu nehmen. Auf der<br />

Erlebnisseite erweisen sich als unwesentlich die Einfühlung,<br />

die Kontemplation, die innere Nachahmung, die ästhetische Illusion<br />

und was man sonst noch als die Seele des ästhetischen Genusses<br />

bezeichnet hat. Ihre Bedeutsamkeit zur Vervielfältigung des Schönheitseindruckes<br />

soll darum nicht bestritten werden. Mit der Einfühlung<br />

denken wir uns z. B. selbst in die tragende Säule hinein<br />

und erleben ein freudiges Kraftbewußtsein. Kontemplative<br />

Wonnen treten hinzu, wenn der schöne Gegenstand eine Flut von Gedanken<br />

anschwellen läßt. Die innere Nachahmung stellt sich<br />

beim Anblick des Diskuswerfers unwillkürlich ein und reißt uns aus<br />

unserer eigenen Welt heraus. Auch die bewußte Selbsttäuschung<br />

erhöht vielleicht hie und da, insbesondere im Theater, den Genuß.<br />

Aber all dies begründet nicht erstmals das ästhetische Erleben.<br />

— Weiter, bezüglich des Gegenstandes leuchtet nunmehr ein,<br />

daß es keinen Gegenstand gibt, der nicht dann und wann, für diesen<br />

oder jenen den Eindruck des Schönen machen könnte. Denn einerseits<br />

verändert sich die subjektive Verfassung: derselbe Reiz kann<br />

heute lustvoll, morgen unlustbetont sein. Anderseits kommt uns die<br />

Fähigkeit des Abstrahierens zu Hilfe. An jedem Gegenstand lassen<br />

sich gar viele anschauliche Züge und geradezu unzählige unanschauliche<br />

Beziehungen auffinden: unter diesen Momenten wird wenigstens<br />

eines sein, das einen freupn kann. Und dieses eine kann ich für sich<br />

beachten. Darum kann selbst ein Schurkenstreich durch seine Genialität<br />

Gefallen erwecken. Das Auffinden solcher Beziehungen und ihre<br />

Loslösung muß freilich erlernt werden, und deshalb beobachten wir,<br />

daß gewisse ästhetische Genüsse, wie die Freude an der Landschaft<br />

und gar an einer schaurigen Landschaft, verhältnismäßig spät auftreten.<br />

— Sodann schlichtet sich der Streit um den Primat von der<br />

Form oder der Idee. Beide können zu Quellen der ästhetischen<br />

Freude werden. Sie können darum auch einzeln jedes für sich betont<br />

werden; achtet aber der Genießende auf beide zugleich, so wird ein<br />

Mißverhältnis zwischen ihnen Unlust erregen und darum den ästhetischen<br />

Eindruck mindern. Ganz ähnlich ist das Verhältnis des<br />

direkten zu dem assoziativen Faktor. Als direkten Faktor<br />

bezeichnete F e c h n e r den unmittelbar gegebenen Reiz, der den<br />

Gefälligkeitseindruck bewirkt, etwa die Melodie; der assoziative Faktor<br />

besteht dann in den Vorstellungen und Gedanken, die durch die<br />

Melodie geweckt werden. Beide tragen zu dem ästhetischen Gesamteindruck<br />

bei und haben darum ihr gutes Recht. Gar manches Lied,<br />

das ohne den assoziativen Faktor uns nicht ansprechen würde, gefällt

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!