Experimentelle Psychologie
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Das schlußfolgernde Denken 189<br />
darum steigern, zwar nicht als Einsicht; denn Einsichten sind entweder<br />
vorhanden oder nicht vorhanden, aber hinsichtlich der Begründung<br />
dieser Einsicht. Die Einsicht, daß wir uns nicht geirrt haben, pflegt<br />
aber auch von Gefühlen begleitet zu sein, von Lust- und Tätigkeitsgefühlen,<br />
wie sie den Wanderer überkommen, der sich davon<br />
überzeugt, daß er den rechten Weg eingeschlagen. Diese Gefühle<br />
lassen nun eine erhebliche Steigerung zu, und an sie denken wir zumeist,<br />
wenn wir von Gewißheit sprechen.<br />
Wo immer die gleichen oder verwandte Sachverhalte erfaßt werden,<br />
kürzt sich auf die Dauer dieser Prozeß ab. Wie das geschieht,<br />
wurde oben dargestellt (S. 178). Hier dürften namentlich die K r i t e -<br />
r i e n eine bedeutende Rolle spielen. Das rasche und klare Auftreten<br />
einer Einsicht wird uns z. B. zum Kriterium dafür, daß alle Bedingungen<br />
für eine sichere Erkenntnis erfüllt waren. An das Wissen<br />
darüber, vielleicht auch an diese Kriterien selbst können sich nun<br />
assoziativ die Träger des Gewißheitsgefühles anschließen und so bisweilen<br />
eine subjektive Sicherheit erzeugen, über die man im einzelnen<br />
nur schwer Rechenschaft ablegen kann.<br />
6. Kap. Das schlußfolgernde Denken.<br />
Nachdem sich uns der lange verborgene Vorgang des<br />
naturgemäßen Schlußfolgerns enthüllt hat, ist es auch klar<br />
geworden, daß die psychologische Erörterung dieses Prozess<br />
ses nicht mit der Besprechung des Syllogismus anheben darf,<br />
Der Syllogismus ist ein Kunstprodukt und verlangt ein sehr<br />
eindringliches Studium und feinste Selbstbeobachtungsfähig«<br />
keit, um das in ihm verhüllte psychologische Rätsel zu lösen,<br />
Nur das eine offenbart er uns leicht, was ein Schluß zu lei«<br />
sten hat: aus schon vorhandenem Wissen wird ohne Zu«<br />
hilfenahme der Wahrnehmung ein neues Wissen erschlossen,<br />
Damit ist der Weg für die experimentelle Forschung gewie«<br />
sen: man veranlasse die Vpn, in freier Weise aus ihrem bis«<br />
herigen Wissen zu neuen Einsichten zu gelangen. Die man«<br />
nigfaltigsten Aufgaben mußten durchprobiert, aus der Fülle<br />
der Erlebnisse mußten alle rein reproduktiven Vorgänge aus«<br />
geschieden werden, bis man endlich zu der unter Vorstellun«<br />
gen und Gefühlen ganz vergrabenen Seele des Prozesses vor«<br />
drang.<br />
So ergab sich denn folgendes.<br />
Der naturgemäße Schluß läßt sich als eine Bezie«<br />
hungserfassung an gewußten Sachverhalten<br />
definieren. Er ist somit kein Elementarvorgang, sondern