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Experimentelle Psychologie

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Vorstellungen schuld. Mir träumte jüngst, ich blute im Bette liegend<br />

aus der Nase. Ich spürte nur das Fließen, sah aber nichts, denn ich<br />

lag im Dunkeln. Da regte sich der Zweifel, ob es denn wirklich Nasenbluten<br />

sei, und alsbald sah ich auf dem weißen Kopfkissen eine gewaltige<br />

Blutlache und stellte mit Bedauern die Tatsächlichkeit des Nasenblutens<br />

fest. Sehr merkwürdig verhält sich das Bedeutungsbewußtsein:<br />

bald ist es vorhanden, bald fehlt es. Man glaubt bisweilen zu lesen<br />

oder gar mit einer andern Person in einer fremden Sprache geläufig<br />

zu sprechen, oft mit sichtlicher Befriedigung, während man selbst jene<br />

Sprache nur kümmerlich meistern, jene andere Person, deren Leistungen<br />

ja gleichfalls auf unser Konto zu setzen sind, sie überhaupt nicht verwenden<br />

kann. Hier hängt sich an irgendwelchen Wortsalat die Bedeutung<br />

einer fremden Sprache.<br />

Die Gefühle sind im allgemeinen schwächer als in der Wirklichkeit.<br />

Doch sind auch hier auffällige Ausnahmen zu melden. Arg<br />

trockene Gesellen können im Traum in Tränen zerfließen und Zustände<br />

der Rührseligkeit erleben, deren sie sich im Wachzustände nicht wenig<br />

schämen würden. In derselben gegensätzlichen Weise zeigt sich der<br />

Wille manchmal wie ohnmächtig und läßt Taten geschehen, die er im<br />

Wachzustände niemals verantworten möchte, während er in andern<br />

Fällen sich energisch gegen solche Dinge sträuben kann. Die Beweglichkeit<br />

ist herabgesetzt. Die Träume im Tiefschlaf lassen uns überhaupt<br />

nicht handelnd, sondern nur sehend auftreten. Im leichteren<br />

Schlaf glauben wir fälschlich, unsere Glieder zu bewegen, und nur der<br />

eigenartige als Somnambulismus bekannte Traumzustand erlaubt es dem<br />

Träumer, gewisse Bewegungen auch wirklich auszuführen.<br />

Sehr rätselhaft ist die Auswahl des Traumgegenstandes.<br />

Die Ereignisse des Vortages scheinen bevorzugt zu sein. Doch nicht<br />

die bedeutsamen: man träumt nicht von dem, wovon man gern träumen<br />

möchte.<br />

Befindet sich der Schlafende an einem neuen Aufenthaltsort,<br />

so sollen die Erlebnisse an jenem neuen Ort erst später im Traum auftauchen.<br />

Außerdem liegt nach Hacker der Trauminhalt um so<br />

weiter zurück, je tiefer der Schlaf ist. Lange Zeit meinte man, alle<br />

Träume seien durch einen zufälligen Reiz verursacht, dem der Schlafende<br />

gerade unterliegt.<br />

In der Tat konnte man den Traum experimentell<br />

durch solche Reize beeinflussen. Ist z. B. die Fußsohle unempfindlich<br />

geworden, so meint der Träumende, er schwebe. Ebenso schließen<br />

sich an gewisse Organempfindungen wie bei Atemnot, Herzbeklemmung<br />

charakteristische Träume an. Dennoch sind nicht alle Träume Reizträume.<br />

Sehr viele sind Erinnerungsträume, die sich durch die zufälligen<br />

und einförmigen Reize nicht erklären lassen.<br />

Wie soll man nun dieses vielgestaltige, widerspruchsvolle Erlebnis,<br />

das wir Traum nennen, auffassen? Ähnlich wie Claparede den<br />

Schlaf, denkt sich Freud den Traum als eine positive Leistung, und<br />

zwar des Unterbewußten. Im Unterbewußten schlummern die Wünsche,<br />

denen der Wachende zumeist aus sittlicher Scheu kein Gehör

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