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Experimentelle Psychologie

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Die äußere 'Willenshandlung 239<br />

ist die Möglichkeit geboten, die wiederholte Erscheinung<br />

mit der Vorstellung von ihr zu vergleichen, oder wenigstens<br />

ein Abweichen beider als etwas irgendwie Befremdliches zu<br />

verspüren. Durch diese Differenzen, die wir gar nicht als<br />

solche zu erkennen brauchen, werden wir also auf die Ein*<br />

zelheiten der Bewegung aufmerksam gemacht, sobald sich<br />

ihre Ausführung von ihrer Vorlage entfernt, und können<br />

somit durch Hinwendung unserer Aufmerksamkeit eine Ent*<br />

gleisung verhüten. Nach dieser Auffassung dienen sonach<br />

die kinästhetischen Vorstellungen der feinsten, die optischen<br />

der gröberen Korrektur der jeweils vollzogenen Bewegungen.<br />

Das wird bestätigt durch einige Beobachtungen aus der Pathologie.<br />

Sind die Lageempfindungen gestört, so können bisweilen die Kranken<br />

das betreffende Glied nicht bewegen. Ein solcher Kranker läßt z. B.<br />

Gegenstände, die er in der Hand hat, fallen, sobald er nicht auf seinen<br />

Arm schaut. Offenbar können die kinästhetischen Vorstellungen, die<br />

zur entsprechenden motorischen Erregung hinleiten, auf doppeltem<br />

Wege geweckt werden: durch die kinästhetischen Empfindungen und<br />

durch die optischen Vorstellungen. Wären aber die kinästhetischen<br />

Vorstellungen überflüssig und könnte die motorische Erregung ebenso<br />

leicht durch die optischen Vorstellungen ausgelöst werden, so verstünde<br />

man nicht, wie bei der Ataxie der Ausfall oder die Störung der<br />

kinästhetischen Empfindungen die wohlbekannte Bewegung so sehr<br />

beeinträchtigen könnte. Für die Auslösung der Bewegung wären sie<br />

ja überflüssig. Sie könnten also nur noch der feineren Kontrolle dienen.<br />

Dann müßte aber das optische Bild der Bewegung mit dem durch<br />

die jeweiligen Lageempfindungen erzeugten kinästhetischen verglichen<br />

werden, ein Vorgang, der weder durch die Selbstbeobachtung bekundet<br />

wird, noch der sonst herrschenden Zweckmäßigkeit des psychischen<br />

Lebens entspricht. Gegen die kinästhetischen Vorstellungen darf man<br />

auch nicht geltend machen, sie ließen sich nicht ins Gedächtnis zurückrufen.<br />

Neuere Beobachtungen haben uns Vorstellungen kennen gelehrt,<br />

die sich nur wenig über die Bewußtseinsschwelle erheben und nur<br />

unter ganz besonderen Verhältnissen überhaupt zu entdecken sind.<br />

Vermutlich gehören die kinästhetischen Vorstellungen zu ihnen: man<br />

wird „den Faden finden“ müssen, um sie überhaupt ans Licht zu<br />

ziehen, ähnlich wie man oft die Worte eines Liedes nur von der Melodie<br />

aus reproduzieren kann.<br />

Literatur.<br />

H.Liepmann. Die Störungen des Handelns bei Gehirnkranken. 1905.<br />

J. Lindworsky, Der Wille. 1919.

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