Experimentelle Psychologie
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Gesetze der Tonverschmelzung 77<br />
.tufeinander, so wird der Höhenschritt der Akkorde nach<br />
dem Schritt jener Stimme beurteilt, die am meisten steigt.<br />
Diese Tatsachen, sowie der Umstand, daß man gewisse<br />
Eigenschaften hoher Obertöne, wie das Schrille, Dissonante<br />
u. ä. auf den ganzen Klang überträgt, beweisen, daß wir es<br />
hier nicht mit Eigenschaften zu tun haben, die dem Empfin*<br />
dungskomplex als solchem zukommen, sondern daß Auffas*<br />
sungs* und Beurteilungsphänomene vorliegen, deren Ver*<br />
ständnis erst später erschlossen werden kann,<br />
2. Gesetze der Tonverschmelzung.<br />
Nicht alle Tonpaare verschmelzen gleich innig, d. h. nicht alle<br />
nähern sich gleichviel dem Einklang. Unter Verschmelzung<br />
verstehen wir nämlich mit Stumpf die Annäherung an den<br />
Einklang. Gewisse Tonpaare unterscheidet auch ein musikalisch<br />
normales Ohr nicht ohne weiteres vom Einklang, während andere auch<br />
von Unmusikalischen sofort als Zweiklang gehört werden. Die genauere<br />
Untersuchung ergibt folgende Gesetze der Tonverschmelzung. Sie<br />
hängt zunächst von der Höhe der beiden Töne ab. Nach der Innigkeit<br />
der Verschmelzung scheinen fünf Stufen zu bestehen: Oktav, Quint,<br />
Quart, Terzen und Sexten, endlich alle übrigen Intervalle, die untereinander<br />
keinen Unterschied des Verschmelzungsgrades aufweisen.<br />
Die Verschmelzungserscheinung ist sodann in allen Tonlagen<br />
zu beobachten, extrem hohe und tiefe Lagen vielleicht ausgenommen.<br />
Drittens gilt das Erweiterungsgesetz.: ein Intervall läßt sich<br />
um eine Oktav erweitern, ohne seinen Verschmelzungsgrad einzubüßen.<br />
Die Non hat darum die gleiche Verschmelzung wie die Sekund,<br />
C und c wie C und c 1 . Viertens ist der Verschmelzungsgrad unabhängig<br />
von der Stärke wie von der Zahl der<br />
Teiltöne. Die Einheitlichkeit eines Zweiklanges vermindert sich<br />
also nicht, wenn beide Töne oder einer von ihnen stärker bzw.<br />
schwächer wird; sie leidet auch nicht darunter, daß ein dritter Ton<br />
hinzutritt.<br />
Konsonanz und Dissonanz. Unter Konsonanz versteht<br />
der Sprachgebrauch sowohl die innige Verbindung zweier Töne, wie<br />
auch die Annehmlichkeit, die einer solchen Verbindung eigen ist.<br />
Sieht man von letzterem Gefühlsmoment ab, es wechselt nämlich je<br />
nach dem Beurteiler, so kann man die Konsonanz der Verschmelzung<br />
in unserem Sinne gleichsetzen. Die Stufenfolge in der Vollkommenheit<br />
der Konsonanz, welche die Musikwissenschaft aufgestellt hat, stimmt<br />
nämlich mit der Reihenfolge der Verschmelzungsgrade überein. Nach<br />
der Musiktheorie sind Oktav, Quint und Quart vollkommene Konsonanzen,<br />
Terzen und Sexten unvollkommene, alle andern Dieeonanzon,