Experimentelle Psychologie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
128<br />
<strong>Experimentelle</strong> <strong>Psychologie</strong><br />
Zu dem ersten Hauptlall gehören namentlich die experimentellen<br />
(Vergleichungen zweier Zeitstrecken. Sind diese sehr<br />
kurz, dann achtet man in Wirklichkeit nicht auf die Dauer, sondern auf<br />
die Geschwindigkeit, mit der sich die die Zeitstrecke begrenzenden<br />
Reize folgen. Bei längeren Zeitintervallen, etwa bis zu 3", scheint<br />
ein unmittelbarer anschaulicher Vergleich der Dauer möglich zu sein.<br />
Bei noch größerem Zeitabstand wird der unmittelbare Vergleich<br />
schwerer. Der Beobachter muß die Grenzreize, z. B. die Metronom-<br />
Schläge, mit sichtlicher Bemühung Zusammenhalten, damit die Vergleichung<br />
zuverlässig bleibt. Das weist darauf hin, daß größere<br />
Strecken überhaupt nur an den sie ausfüllenden Erlebnissen gemessen<br />
werden können. Das ist nach unserer Auffassung der Dauer als eines<br />
unselbständigen Momentes zu erwarten und ist im Grunde auch bei<br />
dem Vergleich der kleineren Zeiten vorhanden. Nur daß hier die wenig<br />
ausgesprochenen Erlebnisse des Allgemeinbefindens hinreichen, während<br />
bei längerer Dauer charakteristische Dinge, wie aktives Bemühen,<br />
Nachkonstruieren der Zeitstrecke, Beachtung der Atembewegungen,<br />
der wachsenden Spannung u. ä., zu Hilfe genommen werden. Als allgemeine<br />
Regel ergab sich bei diesen Zeitvergleichungen: kleine Zeiten<br />
werden überschätzt, große werden unterschätzt; zwischen beiden liegt<br />
eine Indifferenzzone von 1—2", die nahezu richtig beurteilt wird. Auf<br />
den Zeitvergleich wirken mancherlei Faktoren bestimmend ein: so die<br />
verschiedene Stärke der das Zeitintervall abgrenzenden Signale; das<br />
intensivere Signal verkürzt das Intervall, wenn es an dessen Anfang<br />
steht, es verlängert es, wenn es das Intervall abschließt. Doch gehören<br />
diese Dinge in die <strong>Psychologie</strong> des Vergleiches.<br />
Erlebt man vielerlei während einer bestimmten Spanne objektiver<br />
Zeit und achtet gleichzeitig auf die Dauer, so erscheint sie einem lang;<br />
achtet man hingegen nicht auf die Zeit, so wird man von dem Ende der<br />
Zeitspanne überrascht. Daher auch der große Unterschied bei dem<br />
Vergleich von leeren und ausgefüllten Zeitstrecken, der sich aber je<br />
nach der Aufmerksamkeitsrichtung des Beobachters anders geltend<br />
macht. In der Erinnerung hingegen wird eine erlebnisreiche Zeitspanne<br />
größer erscheinen als eine erlebnisarme. Da uns für die Wahrnehmung<br />
der Zeit kein besonderes Sensorium zur Verfügung steht, und der absolute<br />
Eindruck des Langen oder Kurzen nur aus der Menge der durchschnittlich<br />
in der Zeiteinheit erlebbaren Ereignisse entsteht, so begreift<br />
man auch, daß bei einer außergewöhnlichen Steigerung des Vorstellungslebens,<br />
wie sie etwa der Haschischgenuß hervorruft, die Dauer<br />
geläufiger Verrichtungen merkwürdig gesteigert zu sein scheint: das<br />
Passieren einer Straße will kein Ende nehmen, weil außergewöhnlich<br />
viele Bilder durch den Geist des Gehenden ziehen.<br />
Im dritten Hauptfall erwarten wir ein zukünftiges Ereignis. An<br />
sich verfließt uns da die Zeit nicht langsamer als sonst, aber wir konstatieren<br />
immer wieder, daß unser Verlangen noch nicht erfüllt ist.