Experimentelle Psychologie
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178 <strong>Experimentelle</strong> <strong>Psychologie</strong><br />
die Erfassung des zweiten Eindruckes mit einer Richtung auf den<br />
ersten und einem latenten Wissen von diesem. Eine beträchtliche<br />
Erklärung ist indes damit nicht geboten. Neuere Befunde dürften die<br />
merkwürdige Erscheinung aufhellen. Unsere Bewußtseinsinhalte befinden<br />
sich auf verschiedenen Stufen der Klarheit und Beachtung<br />
(W e s t p h a 1). Außerdem ist stets eine Gruppe von Vorstellungen im<br />
Begriff, über die Schwelle des Bewußtseins zu steigen bzw. unter sie zu<br />
sinken; schon eine geringe Veränderung der Konstellation kann sie<br />
unbewußt oder schwach bewußt machen. Es ist nun, wie M i c h o 1 1 e<br />
und der Verfasser selbst gefunden haben, eine Beziehungserkenntnis<br />
möglich, bevor die bezogenen Bewußtseinsinhalte klar erfaßt sind. So<br />
wird also der zweite Eindruck nicht mit dem Gedächtnisbild, d. h. einer<br />
reproduzierten und als solcher bewußten Vorstellung der ersten Wahrnehmung<br />
verglichen, sondern mit dem der Schwelle nahen und darum<br />
nicht mehr oder noch nicht beachteten ersten Eindruck.<br />
Läßt man paarweise Gewichte miteinander vergleichen, so v/ird<br />
bisweilen das zuerst gehobene sofort als „schwer“ bzw. „leicht“ oder<br />
gar als schwerer, leichter beurteilt, noch bevor der Vergleichsreiz<br />
gegeben ist. ^Maßgebend für ein solches Urteil ist der „absolute<br />
Eindruck .<br />
Die genauere Untersuchung ließ erkennen, daß in dergleichen<br />
Fällen durch die häufigen Hebungen eine Vorstellung entweder<br />
des unveränderten Vergleichsgewichtes oder eine Vorstellung<br />
eines mittleren Gewichtes in Bereitschaft gesetzt wurde. Diese tritt<br />
nun bei der Hebung des Gewichtes über die Schwelle und ermöglicht<br />
in der nämlichen Weise, wie es bei dem Sukzessivvergleich beschrieben<br />
wurde, die Einsicht: schwer. Dieser absolute Eindruck kommt auf den<br />
verschiedensten Gebieten vor und ist für die Entwicklung unseres geistigen<br />
Lebens von allerhöchster Bedeutung.<br />
Es ist also im Grunde der<br />
absolute Eindruck nur ein sehr abgekürzter Vergleich des neuen Reizes<br />
mit einem nicht klar als solchen erkannten Durchschnittswert. Er wäre<br />
darum richtiger ein relativer Eindruck zu nennen.<br />
Was hier über die Vergleichung gesagt wurde, dürfte in<br />
der Hauptsache von allen Beziehungserfassungen gelten. Bis*<br />
weilen drängen sie sich von selbst auf, bisweilen braucht es<br />
zur Beziehungserfassung der Gewinnung eines besonderen<br />
Gesichtspunktes und ein ausdrückliches beziehendes Blicken,<br />
im geistigen Sinne, unter diesem Gesichtspunkt. Auch bei<br />
den anderen Relationen ist eine Beziehungserfassung mög*<br />
lieh, schon bevor der zweite Beziehungspunkt klar bewußt<br />
ist. Auch bei ihnen wird es absolute Eindrücke geben, denen<br />
man allerdings heute noch nicht weiter nachgespürt hat. Und<br />
endlich können alle Beziehungserfassungen zu einem repro*<br />
duzierbaren Beziehungs? oder Sachverhaltswissen werden.