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Experimentelle Psychologie

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Die Phantasie 257<br />

lens und der Assoziationen. Damit ist, wie wir gezeigt haben,<br />

der spielhafte, teils ungebundene, teils gebundene Gedanken*<br />

fortschritt gegeben. Gebunden wird er immer dann, wenn<br />

eine Zwischenaufgabe für den Augenblick zum Willensziel<br />

wird, doch so, daß der ganze Vorstellungsverlauf nicht in<br />

feste Regeln eingeschlossen ist. In der freien Vorstellungs*<br />

bewegung ist auch Gelegenheit zu Neubildungen. Zum klei*<br />

neren Teil dürften diese aus den Zufälligkeiten der assoziativ<br />

bedingten Reproduktionsvorgänge stammen. Den größeren<br />

Teil liefern sicher die Relationserfassungen und die Annah*<br />

men. Die letzteren werden als willkürliche Verbindungen<br />

beliebiger Gegenstände zum antizipierenden Schema für die<br />

Reproduktion anschaulicher Vorstellungen: wie ein gezeich*<br />

netes Stickmuster geben sie den Ort im Bewußtsein an, wo<br />

sich die anschauliche Begabung des Individuums auswirken<br />

kann. Unsere Auffassung läßt also die Anschaulichkeit zu<br />

ihrem Rechte kommen. Wir begreifen jetzt aber auch, daß<br />

man das produktive Denken in so enge Beziehung zur Phan*<br />

tasie gebracht hat: Wie sich bei den Schlußuntersuchungen<br />

herausstellte, stehen uns für das fortschreitende Denken, auch<br />

wenn es von einer Gesamtaufgäbe beherrscht wird, nur<br />

wenige und im allgemeinen nur unfruchtbare Methoden zur<br />

Verfügung. Darum muß auch das ernste Denken strecken*<br />

weise phantasiemäßig arbeiten, wie umgekehrt die Phantasie<br />

streckenweise aufgabenmäßig vorgeht. Die außergewöhn*<br />

liehen schöpferischen Leistungen der großen Dichter und<br />

Künstler sind zwar der Phantasie nicht wesentlich, gedeihen<br />

aber auf dem Boden der von uns genannten Bedingungen,<br />

sobald noch die eine oder die andere Sonderbedingung hin*<br />

Zutritt. Große Lebhaftigkeit der Vorstellungen, tiefes Ge*<br />

fühl und Raschheit der Vorstellungsbewegung scheinen die<br />

wichtigsten davon zu sein, die bald einzeln, bald zusammen<br />

das Phantasieleben des gottbegnadeten Künstlers über das<br />

anderer Sterblicher hinausheben. Sehr oft wird diese Be*<br />

gabung noch durch besondere Studien unterstützt. Man er<<br />

zählt von manchen Dichtern, daß sie schon in früher Jugend<br />

sich in der Weltliteratur sehr wohl auskannten, wodurch<br />

natürlich ihr Vorstellungsschatz mit einer Unzahl von Moti*<br />

Philos. Handbibi. Bd.Y, 17

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