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Experimentelle Psychologie

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210 <strong>Experimentelle</strong> Psyohologie<br />

Unsere Erklärung des Ichbewußtseins läßt nun die Anomalie»<br />

des Selbstbewußtseins leicht verstehen. Auch hier gehen die normalen<br />

Zustände unvermerkt in die pathologischen über. Wir sagten, das helle<br />

Ichbewußtsein ist das Ergebnis einer Beziehungserfassung. Beziehungserfassungen<br />

und ebenso das aus ihnen sich herleitende Wissen,<br />

von dem wir hier absahen, sind nicht immer aktuell, sondern können<br />

gelegentlich zurücktreten. Sie werden es in der Regel dann tun, wenn<br />

andere Inhalte in erhöhtem Maße die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.<br />

Das ist kaum möglich bei Gefühlserlebnissen, leichter bei Willenshandlungen<br />

und sehr wahrscheinlich, wenn wir uns wie in der Wahrnehmung<br />

oder auch im Vorstellungsieben mit den Gegenständen befassen.<br />

In<br />

solchen Zuständen sagen nicht nur die Dichter, sondern auch die Vpn<br />

in experimentell herbeigeführten Erlebnissen: nicht ich denke, sondern<br />

es denkt in mir. Man muß nach derartigen Bewußtseinsvorgängen<br />

wieder „zu sich kommen“. Natürlich war auch bei ihnen der Ichzug<br />

niemals vollständig verschwunden.<br />

Noch weiter entfernt sich vom normalen Zustand die Depere<br />

o n a 1 i s a t i o n, die Entfremdung des Ich. Jeder einzelne ist an eine<br />

gewisse Summe ziemlich gleichbleibender Körperempfindungen und<br />

r ^lese bedingten Gefühle gewöhnt. Zusammen mit dem<br />

L<br />

begrifflichen Wissen von unserem Ich und seiner Identität in der Zeit<br />

sind sie daran schuld, daß das Ich unserer Auffassung, das „persönliche<br />

Ich, sich nicht mit jeder neuen Wahrnehmung ändert. Das wird<br />

anders bei sehr großartigen und überwältigenden Wahrnehmungen.<br />

Ein ergreifendes Schauspiel, eine überwältigende Landschaft, ein neuer<br />

weitgespannter Gedankengang vermag die Summe der gewohnten<br />

Empfindungen in den Hintergrund zu drängen: wir fühlen uns dann als<br />

andere Menschen, „wie ausgewechselt“.<br />

Ein noch stärkerer Eindruck<br />

wird erzielt, wenn die sonst konstanten Körperempfindungen verändert<br />

werden. Wasser im Gehörgang, Ohrensausen u. dgl. geben uns schon<br />

eine Ahnung von diesem Zustand, wenngleich diese umschriebenen<br />

Störungen nach einiger Zeit überwunden werden. Ändert sich jedoch<br />

die konstante Empfindungsmasse in höherem Grade, so kommen wir<br />

uns selbst als andere vor, leben wie in einer andern Welt, sehen alles<br />

wie durch einen Nebel. Man kann heute noch nicht angeben, welche<br />

Empfindungen insbesondere in Mitleidenschaft gezogen werden müssen,<br />

damit dieser Zustand eintrilt. Man hat an die Organempfindungen, an<br />

die uns stets begleitenden Reproduktionstendenzen bzw. ihre Spiegelung<br />

im Bewußtsein und namentlich an Gefühle (Österreich) gedacht.<br />

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird nicht die Alteration einer<br />

bestimmten Empfindungs- oder Gefühlsgruppe die Depersonalisation<br />

bewirken, sondern der Ausfall, die Änderung oder vielleicht auch<br />

die Vermehrung der konstanten Empfindungen, die wir an unserem<br />

„persönlichen Ich gewöhnt sind, muß in irgendeiner Weise ein bestimmtes<br />

Maß erreichen, damit wir uns als andere Menschen<br />

fühlen.

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