Experimentelle Psychologie
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Erlnnenmgstäusclmngeii 205<br />
abgebrochen wird, — Die nervöse Erschöpfung ist nach den Untersuchungen<br />
Heymans eine besonders günstige Vorbedingung des<br />
falschen Wiedererkennens, weshalb auch diese Erscheinung in der<br />
Pubertätszeit besonders häufig ist. — Gleich nach der kurzen Ablenkung<br />
wendet man sich wieder der Wahrnehmung zu. Da somit derselbe<br />
Bewußtseinsinhalt wiederkehrt, der unmittelbar vor der Ablenkung<br />
uns beschäftigte, erscheint das Erlebnis als bekannt, ohne daß<br />
wir den Bekanntheitseindruck erklären können, während wir anderseits<br />
sehr wohl wissen: die Situation ist neu. Ein Beispiel. Ich gehe<br />
mit einigen Begleitern einen Gartenweg entlang. „Haben Sie schon<br />
gehört . . beginnt einer von ihnen und kündigt eine mir sehr wohl<br />
bekannte Geschichte an, die mir nunmehr als Ganzes im Bewußtsein<br />
steht. Weil sie mich aber langweilt, befasse ich mich beim Weitergehen<br />
mit den Blumen am Wege. Als wir nun am Ende des Weges<br />
umkehren, wollen, erlebe ich ein ganz ausgesprochenes dejä vu, und<br />
zwar besagt es: genau diese individuelle Situation mit all ihren Einzelheiten<br />
hast du schon erlebt. Da ich damals schon meine Theorie<br />
der Fausse Reconnaissance veröffentlicht hatte, besinne ich mich darauf,<br />
wo eine Wiederholung eines Teiles der Wahrnehmung vorliege,<br />
finde jedoch keine und stelle mit Bedauern fest, daß die Theorie hier<br />
versage. Erst nach einiger Zeit kommt mir der Augenblick wieder zu<br />
Bewußtsein, wo die Erzählung angekündigt worden war. Die Erklärung<br />
des Phänomens lag nun zutage. Bei der Ankündigung der Erzählung<br />
hatte ich sie in der Vorstellung vorweggenommen. Dann mich<br />
durch das Betrachten der Blumenbeete abgelenkt. Als ich am Ende<br />
des Weges wohl oder übel wieder einen Teil der Erzählung anhören<br />
mußte, wurde die Eingangssituation reproduktiv angeregt, konnte aber<br />
infolge einer sehr merklichen Schlaffheit an diesem Tage, sowie wegen<br />
der unmittelbar vorausgegangenen Ablenkung nicht hinreichend reproduziert<br />
werden, weshalb ein unerklärliches Bekanntheitsgefühl verspürt<br />
wurde, das sich nach Art aller Gefühle auf die gesamte Lage<br />
verbreitete. Wegen der augenblicklichen Reproduktionsstörung konnte<br />
natürlich auch die das ganze Erlebnis bedingende Eingangslage nicht<br />
sofort wieder bewußt werden, die Theorie mußte für den Augenblick<br />
als unzureichend erscheinen, wodurch eine ganz vorzügliche Kontrolle<br />
der Zuverlässigkeit der Beobachtung gegeben war. Die wichtige Voraussetzung<br />
dieser Erklärung, daß durch die vorstellungsmäßige Vorwegnahme<br />
einer Wahrnehmung schon ein Bekanntheitseindruck bedingt<br />
wird, läßt sich übrigens experimentell nachweisen.<br />
Literatur.<br />
M. Rosenberg, Über die Erinnerungstäuschungen usw, ZPaPs 1<br />
( 1912 ).