GRO GRATISROMAN_Taschenbuch_MUSTER
- Keine Tags gefunden...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
schen Skepsis und gelegentlich aufblitzender Neugier schwankten.<br />
Außer mit seinen Blicken berührte er ihn aber nicht.<br />
Die Hauptversorgung während der ersten Stunden und Tage nach der<br />
Geburt übernahm Marlies. Mein anfängliches Gefühl, sie könnte vielleicht<br />
eine Verbündete oder sogar Geliebte von Bruno sein, verflog<br />
immer mehr. Er hatte sie für diesen Job engagiert, das war alles.<br />
Die Herzlichkeit, die sie mir damals auf Mallorca entgegengebracht<br />
hatte, spürte ich nicht mehr. Sie war sachlich, kühl und distanziert.<br />
Aber sie verstand etwas von ihrer Arbeit. Über die seltsamen Umstände<br />
dieser Geburt schien sie sich keine Gedanken zu machen. Ich<br />
ging davon aus, dass sie von Brunos gewalttätigen Ausbrüchen nichts<br />
mitbekam.<br />
Sie verschwand, als Maurice drei Tage alt war. Kurz angebunden verabschiedete<br />
sie sich.<br />
„Meine Arbeit ist nun erledigt“, sagte sie.<br />
Ich war geschockt. Während der letzten Tage war sie eine wichtige<br />
Hilfe für mich gewesen.<br />
Später habe ich mich gefragt, warum sie sich nicht bei der Polizei<br />
gemeldet hat, als überall nach der Herkunft von Maurice gefahndet<br />
wurde. Außer Bruno und mir war sie die einzige Zeugin der Geburt.<br />
Sie musste einen triftigen Grund für ihr Schweigen haben, den ich<br />
nicht kannte.<br />
An dieser Stelle unterbrach ich das Lesen. In der Küche schenkte ich<br />
mir einen Kaffee ein und ging damit nach draußen. Ich setzte mich auf<br />
die alte Holzbank im Garten. Mir war zumute, als hätte ich die letzten<br />
Minuten mit Lara geredet. Sie war mir sehr nahe. Ich hatte ihr Gesicht<br />
so deutlich vor mir gesehen, als brauche ich die Hand nur danach auszustrecken.<br />
Ich war mit ihr hinab gestiegen in die Hölle ihrer damaligen Tage.<br />
Wahrscheinlich lebten große Teile von ihr auch heute noch darin. Ich<br />
hatte nur den einen Wunsch, ihr herauszuhelfen. Ich fragte mich, welche<br />
Rolle die Hebamme in dieser Geschichte spielte.<br />
160