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Kapitel 24<br />
Seit der Beerdigung war ich nicht mehr an Charlottes Grab gewesen.<br />
Das wollte ich jetzt nachholen. Ich vermisste sie in diesen Tagen sehr.<br />
Sie war nicht nur klug und offen, sie hatte auch eine besondere Beziehung<br />
zu Lara gehabt. Sie hätte gewusst, von wem ich redete. Sie hätte<br />
die Dinge einordnen können, was nicht einfach war. Und sie hätte<br />
meine Gefühle für Lara verstanden, die mit jeder Stunde und jedem<br />
Tag ihrer Abwesenheit immer noch größer wurden.<br />
Es war früher Abend. Nach einem schönen Vormittag bedeckte nun<br />
eine dichte Wolkenschicht den Himmel. Noch regnete es nicht, aber<br />
der Geruch von Regen lag bereits in der Luft. Eine erste leichte Dämmerung<br />
hatte früh eingesetzt.<br />
Es war nicht ganz einfach, Charlottes Grabstelle auf dem großen städtischen<br />
Friedhof zu finden. Zweimal verhedderte ich mich völlig und<br />
musste von vorn beginnen. Schließlich aber stand ich vor ihrem Grab.<br />
Ich hatte einen Strauß gelber Rosen für sie mitgebracht. Es gab keine<br />
Vasen und ich legte ihn auf die Erde.<br />
Charlotte war mit im Grab ihres Mannes beerdigt worden, der Grabstein<br />
war noch nicht zurück. Ich erinnerte mich, dass der Name ihres<br />
Mannes Enno war und ich dachte an die Geschichte seines Todes. An<br />
die Schuld, die Charlotte danach mit sich herumgeschleppt hatte. Ich<br />
fragte mich, ob es eine Möglichkeit gab, solche Missverständnisse<br />
wenigstens nach dem Tod wieder auszubügeln, kam aber zu keiner<br />
Antwort.<br />
Als ich an ihrem Grab stand, fühlte ich mich Charlotte sehr nahe. Und<br />
ich wusste, dass es richtig gewesen war, hierher zu kommen. Ich sah<br />
ihr Gesicht ganz klar vor mir. Ich sah ihr Lächeln und ich hörte den<br />
warmen Klang ihrer Stimme so deutlich, als sei sie bei mir.<br />
Ich stand vor ihrem Grab und mir wurde klar, dass ich als Ratsuchender<br />
gekommen war. Mein Verstand sagte, das sei lächerlich, aber<br />
mein Instinkt wusste es besser.<br />
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