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sagen mir einfach, warum Sie zu mir gekommen sind. Ich gehe mal<br />
davon aus, dass Sie keine schwangere Frau haben.“<br />
„Womit Sie richtig liegen“, bestätigte ich.<br />
„Also?“<br />
„Warum haben Sie damals nicht angezeigt, dass Sie an genau dem<br />
Küstenstreifen eine Geburt hatten, an dem nur ein paar Tage später<br />
ein Säugling gefunden wurde? Die Meldungen in den Medien können<br />
Sie ja kaum übersehen haben.“<br />
Auch sie schob jetzt ihre Kaffeetasse beiseite und beugte sich auf dem<br />
Schreibtisch ganz leicht nach vorne. Irgendetwas an ihrer Fassade<br />
schien plötzlich zu bröckeln. Im Gegenzug bröckelte ein kleines Stück<br />
meiner Antipathie.<br />
„Ich könnte Ihnen jetzt natürlich erzählen“, sagte sie schließlich, „ich<br />
sei gleich nach dieser Geburt auf eine große Reise gegangen und hätte<br />
von dem ganzen Theater deshalb nichts mit bekommen…“<br />
„Was ich Ihnen“, schob ich ein, „natürlich nicht glauben würde.“<br />
„Sicher nicht“, sagte sie. „Und ich müsste Angst haben, dass Sie sich<br />
mit Ihrem Wissen an die Polizei wenden. Denn natürlich habe ich mich<br />
damals strafbar gemacht. Und deshalb sage ich Ihnen lieber gleich die<br />
Wahrheit.“<br />
„Ich höre…“<br />
Sie lehnte sich wieder zurück. Als einziges erkennbares Zeichen innerer<br />
Unruhe drehte sie minimal, dafür aber permanent ihren Stuhl hin<br />
und her.<br />
„Ich habe damals schon die Geburt nicht gemeldet“, fuhr sie schließlich<br />
fort, „wozu ich natürlich verpflichtet bin. Egal ob ein Kind gefunden<br />
wird oder nicht. Aber ich bin auch nicht zur Polizei gegangen,<br />
nachdem ich von dem Babyfund erfahren hatte. Obwohl mir sofort<br />
klar war, dass es sich um das Kind der Kirchhoffs handelte.“<br />
„Und warum haben Sie es nicht getan?“, fragte ich.<br />
Eine Weile suchte sie nach den richtigen Worten.<br />
„Ich habe Bruno Kirchhoff geliebt“, sagte sie schließlich und sah mich<br />
direkt an.<br />
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