21.04.2020 Aufrufe

Nr. 18 - November / Dezember 2008

Périgord: Dordogne-Tal, Rouffignac, Périgueux, Brantôme, Bergerac, Sarlat Aix-en-Provence: auf den Spuren von Cézanne Adrennen: im sagenhaften Grün der Ardennen Lyon: Fête des Lumières Rezept: lapin à la moutarde

Périgord: Dordogne-Tal, Rouffignac, Périgueux, Brantôme, Bergerac, Sarlat
Aix-en-Provence: auf den Spuren von Cézanne
Adrennen: im sagenhaften Grün der Ardennen
Lyon: Fête des Lumières
Rezept: lapin à la moutarde

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kulturschock<br />

Unterwegs im TGV...<br />

Denke ich an das Bahnfahren in Frankreich, muss ich<br />

immer ein bisschen schmunzeln. Irgendwie hat die<br />

französische Bahn eine Art sich zu präsentieren, die<br />

mich als Deutschen etwas erstaunt. Da sind zum einen die<br />

knalligen Bonbonfarben, mit denen die SNCF wirbt. Und<br />

dann die Website. Sie ist grellbunt und etwas überladen mit<br />

Animationen – wenn man die Unaufgeregtheit der Website<br />

der Deutschen Bahn gewohnt ist, kommt man sich eher wie<br />

auf einer Seite zum Download von Klingeltönen vor.<br />

Aber was kümmern mich die Farben – Hauptsache, ich<br />

komme schnell von A nach B. Und dafür ist der Hochgeschwindigkeitszug<br />

TGV das Aushängeschild der französischen<br />

Bahn. Mit ihm kann man in sensationellen drei<br />

Stunden von Paris nach Marseille fahren! Man stelle sich<br />

vor, in drei Stunden von Hamburg nach München zu reisen.<br />

In Deutschland undenkbar! Bei uns hält der ICE alle<br />

halbe Stunde einmal an – in Frankreich braust er mit wenigen<br />

Halten durch das Land. Und dabei sind die Preise der<br />

französischen Staatsbahn im Vergleich zur Deutschen Bahn<br />

recht moderat gehalten.<br />

Eine etwas eigene Spezies sind allerdings die französischen<br />

Schaffner. Ein französischer Schaffner hat nämlich<br />

andere Dinge zu tun, als ein deutscher. Er geht während<br />

der Fahrt durch die Gänge und fragt, ob alles in Ordnung<br />

sei und ob jemand noch ein Ticket benötige. Er knipst die<br />

Tickets aber nicht ab, denn das Entwerten der Fahrkarten<br />

übernimmt der Fahrgast selbst. An jedem Bahngleis stehen<br />

mehrere dieser kleinen gelben Automaten, an denen man<br />

seine Fahrkarte selbst abstempeln muss. « Compostez votre<br />

ticket » steht darauf. Jedes Mal habe ich die alberne Vorstellung,<br />

dass ich mein Ticket auf einen Komposthaufen werfen<br />

soll. Soll ich natürlich nicht, ich soll meine Fahrkarte<br />

entwerten. So ganz verstehe ich dieses System nicht: Man<br />

kauft ein Ticket, entwertet es vor Fahrtantritt selbst und<br />

trifft auf einen Schaffner, der einen eigentlich nicht kontrolliert.<br />

Obwohl, mittlerweile hat sich das geändert. Seit einem<br />

Jahr kontrollieren die Schaffner jeden Reisenden. Nur<br />

das Entwerten, das haben weiterhin die Fahrgäste selbst<br />

zu erledigen. Übrigens, die etwas gewöhnungsbedürftigen<br />

grellblauen Uniformen der Schaffner werden demnächst<br />

durch eine neue Kreation von Christian Lacroix ersetzt.<br />

Bei meiner ersten Fahrt im TGV überrascht mich noch<br />

so einige. Ich bin auf dem Weg von Paris nach Marseille<br />

und staune nicht schlecht, dass die SNCF für diese Strecke<br />

Doppelstockzüge einsetzt. Als ich durch den Zug<br />

gehe und dabei das « Erdgeschoss » benutze, stecke ich<br />

ganz schnell in der Sackgasse. Denn in den französischen<br />

Doppelstock-TGV sind die Durchgänge nur in der zweiten<br />

Ebene vorgesehen. Verwundert bin ich auch, dass das<br />

blitzschnelle moderne Gefährt innen doch etwas spartanisch<br />

eingerichtet ist. Die Sitze sind ein bisschen zu eng<br />

und ich suche vergebens einen Hebel, um die Position der<br />

Lehne zu verändern.<br />

Auch wenn die Fahrtzeit nach Marseille nur drei Stunden<br />

beträgt, bekomme ich bald Appetit auf einen kleinen<br />

Snack und ich begebe mich zum Restaurant, welches sich<br />

aber als eine Art Stehimbiss entpuppt. Zwar kann man<br />

ein paar warme Gerichte kaufen, muss die ziemlich überteuerten<br />

Gerichte aber im Stehen einnehmen. Heute weiß<br />

ich, dass man in der 1. Klasse auch am Platz bedient wird<br />

– wenn man bereits beim Ticketkauf diesen Service nachgefragt<br />

hat. Dem Fahrgast wird dann ein warmes Standardmenü<br />

serviert. Dafür wiederum gibt es im Zug verteilt<br />

mehrere Getränkeautomaten, an denen Kaffee und andere<br />

heiße Getränke zu haben sind. Das ist ein Service, den ich<br />

in Deutschland auch gerne hätte – wie oft musste ich schon<br />

Kaffeebecher durch etliche Abteile jonglieren, wenn ich<br />

vom Zugrestaurant kam.<br />

Einen Service bietet die französische Bahn seit Neuestem,<br />

der mich nun wirklich verblüfft. Mit der Aktion SmOS<br />

(www.tgv.dilelui.com) sorgt die SNCF für das Liebesglück<br />

ihrer Fahrgäste. Hat man nämlich einen Mitreisenden<br />

sympathisch gefunden, sich aber nicht getraut, ihn anzusprechen,<br />

kann man jetzt auf der Website der SNCF eine<br />

Annonce aufgeben. Über 1.500 Einträge der folgenden Art<br />

soll es schon geben: « Habe Dir auf der Strecke Paris-Nantes<br />

gegenüber gesessen. Du hast die ganze Zeit telefoniert und<br />

dabei so süß gelächelt. Würde Dich gerne näher kennenlernen.<br />

» Und damit der oder die Betreffende auch genau weiß,<br />

wer ihm da schreibt, kann man der Suchanfrage ein Passbild<br />

hinzufügen. Kann es eine überzeugendere Bestätigung<br />

dafür geben, dass Frankreich das Land der Liebe ist?<br />

Die Zeichnung in der letzten Ausgabe war eine<br />

Reminiszenz an Frédéric Rouvillois, Autor des Buches<br />

« Geschichte der Höflichkeit ». Und dieses Mal?<br />

44 · Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!