Nr. 18 - November / Dezember 2008
Périgord: Dordogne-Tal, Rouffignac, Périgueux, Brantôme, Bergerac, Sarlat Aix-en-Provence: auf den Spuren von Cézanne Adrennen: im sagenhaften Grün der Ardennen Lyon: Fête des Lumières Rezept: lapin à la moutarde
Périgord: Dordogne-Tal, Rouffignac, Périgueux, Brantôme, Bergerac, Sarlat
Aix-en-Provence: auf den Spuren von Cézanne
Adrennen: im sagenhaften Grün der Ardennen
Lyon: Fête des Lumières
Rezept: lapin à la moutarde
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konsumieren mehr als zwei Liter davon<br />
pro Person und Jahr. Aber der Ricard<br />
ist bei weitem nicht der einzige Pastis.<br />
Seit den 1990er-Jahren drängen einige<br />
Billigmarken auf den Markt und versuchen,<br />
ein Stück vom großen Kuchen<br />
abzubekommen. Sie werden zumeist<br />
unter dem Label von Supermarktketten<br />
vertrieben. Außerdem entwickeln<br />
andere, kleinere Hersteller couragiert<br />
eigene Pastisrezepturen und versuchen<br />
behutsam, alte Rezepte zu variieren<br />
und ihren authentischen Geschmack<br />
zu erhalten.<br />
Der Pastis hat nämlich eine lange<br />
Geschichte hinter sich. Aus Anis und<br />
anderen Kräutern wurde im <strong>18</strong>. Jahrhundert<br />
ein Getränk gebraut, das bis<br />
heute berühmt und fast schon berüchtigt<br />
ist: Absinth. Lange wurde es nur<br />
als Medikament verwendet, bis eines<br />
schönen Tages ein gewisser Major Dubied<br />
einer alten schweizerischen Heilerin,<br />
der Mutter Henriod, das Rezept<br />
für das Heilelixir abkaufte. Dubied tat<br />
sich mit seinem Schwiegersohn Henri-<br />
Louis Pernod zusammen und gründete<br />
1798 eine eigene Brennerei, das Unternehmen<br />
« Dubied Père et Fils », das<br />
mit einigem Erfolg das neue grünliche<br />
Getränk vertrieb. Bald aber verließ<br />
Pernod die Firma seines Schwiegervaters<br />
und eröffnete <strong>18</strong>05 seine eigene<br />
Brennerei: « Pernod Fils ». Der Erfolg<br />
seines Absinths war überwältigend.<br />
In weniger als einem halben Jahrhundert<br />
verbreitete sich der Aperitif<br />
in ganz Frankreich und man sprach<br />
bereits von der « grünen Stunde », zu<br />
der man sich zu Hause oder in Bars<br />
zusammenfand, um das Getränk zu<br />
konsumieren. Von Verlaine, Rimbaud,<br />
Van Gogh, Toulouse-Lautrec und<br />
vielen anderen Künstlern ist bekannt,<br />
dass sie Absinth verehrten. Die Zahl<br />
der Absinthbrennereien explodierte<br />
geradezu. <strong>18</strong>70 zählte man allein im<br />
Großraum Paris mehr als 70, in Bordeaux<br />
und Marseille jeweils 50 solcher<br />
Brennereien.<br />
Aber Absinth ist mit mehr als 72<br />
Prozent Alkohol ein sehr, sehr starkes<br />
Getränk. Man glaubte später, dass<br />
er die Gesundheit der Konsumenten<br />
schädigte, und fürchtete seine Nebenwirkungen.<br />
1915 wurde die « grüne<br />
Fee », wie Absinth genannt<br />
wurde, deshalb verboten. Aber<br />
schon 1920 erreichten seine<br />
Liebhaber, dass anishaltige<br />
Alkohole wieder erlaubt<br />
wurden, jedoch mussten<br />
strenge Auflagen beachtet<br />
werden: Der Alkoholgehalt<br />
durfte den<br />
Wert von 30 Prozent<br />
nicht übersteigen, die<br />
Getränke durften keinen<br />
Absinth mehr enthalten<br />
und selbst die grüne Farbe<br />
wurde untersagt. 30<br />
Prozent Alkoholgehalt<br />
ist aber für das Lösen<br />
des Anethol nicht ausreichend.<br />
Man musste<br />
bis 1938 warten, ehe<br />
eine Dosierung von 45<br />
Prozent Alkohol wieder<br />
erlaubt wurde. Seither ist<br />
der Anisschnaps wieder<br />
legalisiert. Inzwischen<br />
haben Untersuchungen<br />
ergeben, dass die gefürchteten<br />
Nebenwirkungen von damals<br />
wohl minderwertigem Alkohol<br />
zuzuschreiben waren, nicht aber dem<br />
Absinth selbst.<br />
Das zeitweilige Verbot in den<br />
1920er-Jahren beflügelte aber auch<br />
den Erfindungsgeist und man suchte<br />
nach Ersatzprodukten. In diesem<br />
Zusammenhang gelang einem jungen<br />
Mann ein ganz großer kommerzieller<br />
Coup. « Wenn Absinth nicht mehr<br />
hergestellt werden darf », so dachte er<br />
sich, « müsse eben ein neues Getränk<br />
auf Anisbasis erfunden werden ». Paul<br />
Ricard hieß dieser Mann. Er war<br />
Sohn eines Weinhändlers und erfand<br />
einen Pastis auf Basis von Sternanis,<br />
Lakritze und Kräutern der Provence.<br />
Dank einer intensiven Lobbyarbeit<br />
erhielt er 1932 die Berechtigung, sein<br />
G et r ä n k<br />
als « Ricard,<br />
den wahren<br />
Pastis von Marseille » zu vermarkten.<br />
Der Erfolg war überwältigend<br />
und die ersten bezahlten Ferien für<br />
die allgemeine Bevölkerung im Jahre<br />
1936 taten ihr Übriges, den Pastis<br />
im ganzen Land bekannt zu machen.<br />
Im Jahre 1974 taten sich die beiden<br />
Konkurrenten Pernod und Ricard<br />
schließlich zu einem Unternehmen<br />
zusammen. Seither ist ihre Stellung<br />
auf dem Markt unangefochten und<br />
die Franzosen können sicher sein,<br />
dass auch im letzten Zipfelchen des<br />
Landes eines nie ausgehen wird: ihr<br />
geliebter Pastis.<br />
Frankreich erleben · <strong>November</strong> / <strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong> · 89