Nr. 18 - November / Dezember 2008

Art de Vivre Aperitif
Er ist einer der populärsten Aperitifs überhaupt und aus dem
Alltag der Franzosen nicht wegzu denken. Was wären die
Bewohner der südlichen Landesteile ohne den « kleinen Gelben
», diesen Alkohol auf Anisbasis, der so gerne unter Freunden
genossen wird? Fernab aller Klischees gehört der Pastis
zu den kleinen Besonderheiten, die das Image Frankreichs
ausmachen. Ein Blick auf die Geschichte dieses Getränks.
Kaum ein Alkohol entfesselt solche
Leidenschaften wie der
Pastis. Man wundert sich bereits,
dass es sogar Fanclubs für dieses
Getränks gibt (zum Beispiel die
« Ricard’s Boys »), über ihre Anzahl
muss man dann allerdings wirklich
staunen. Im Internet tummeln sich
zahlreiche Pastisliebhaber und tauschen
sich in diversen Foren über ihr Getränk
aus. Natürlich wird auch mit Devotionalien
gehandelt. Gläser, Karaffen, Flaschen,
Mützen, T-Shirts der großen
Marken wechseln beständig ihre Besitzer.
Einer dieser Pastisverrückten gesteht
in einem der Foren, dass er 2.743
Objekte besäße. Es sind schon liebenswerte
Verrücktheiten, die die Pastisliebhaber
veranstalten. Aber mal ganz
ehrlich: So sehr unterscheiden sie sich
nicht von den vielen Franzosen im
ganzen Land, die sich täglich zum apéro
zusammenfinden und ihren mit Eiswürfeln
servierten Pastis genießen. Diese
so hochgeschätzten geselligen Zusammenkünfte
vor dem Mittag- oder
Abendessen werden mit großer Hingabe
gepflegt und sind ein unverzichtbarer
Bestandteil des französischen
Alltags.
Die Franzosen haben mit ihrem Pastis
allerdings kein Monopol auf Anisschnäpse.
In Griechenland und Bulgarien
trinkt man den Ouzo, in der Türkei
den Raki, im Libanon den Arak. Aber
nur ein Laie würde behaupten, dass es
zwischen ihnen keinen geschmacklichen
Unterschied gebe. Denn nicht alles, was
nach Anis schmeckt, ist auch ein Pastis.
Außerdem ist die Farbe des « gelben Getränks
» einzigartig, die übrigens nicht
natürlich ist, sondern aus der Zugabe
eines Farbstoffes resultiert. Meist wird
dabei Karamell verwendet. Man findet
aber auch farblose Pastissorten und von
der Firma Janot sogar einen Pastis mit
blauer Färbung. Eine weitere Besonderheit.
Eine interessante Beobachtung
lässt sich dabei hinsichtlich der Eintrübung
des Pastis machen. Verdünnt
man ihn mit Wasser (traditionell
fünf Teile Wasser auf einen Teil Pastis),
trübt sich das Getränk ein und
wird ein wenig milchig. Das liegt am
Anethol, einem Aromastoff, der aus
Anissamen gewonnen wird und der
nur schwer wasserlöslich ist. Wartet
man aber einige Stunden, verfliegt das
Milchige wieder.
Aber kennen die Franzosen ihren
Pastis eigentlich wirklich? Es scheint,
nicht besonders gut: Neun von zehn
Franzosen fällt zu Pastis nämlich nur
der Name des Marktführers « Ricard »
ein. Hinter dieser Marke verbirgt sich
das, was man wohl als das Nationalgetränk
der Franzosen betrachten kann,
denn es ist der meistgenossene Alkohol
in Frankreich und das meistverkaufte
Anisgetränk der Welt. Die Franzosen
Tipp: Das Pastis-Paradies
Kein Problem ist es, sich in Frankreichs
Super märkten mit seinem Pastis zu versorgen.
Schwieriger wird es, wenn man
nach regionalen Spezialitäten sucht. Wer
in Marseille weilt, sollte sich deshalb die
Mai son du Pastis nicht entgehen lassen.
Den Kennern und Liebhabern des Pastis
werden dort alle Sorten serviert, die in
Frank r eich zu haben sind.
La Maison du Pastis
108, quai du Port
13002 Marseille
Telefon: +33 (0)4 91 90 86 77
www.lamaisondupastis.com
88 · Frankreich erleben · November / Dezember 2008